Das dunkle Netz der Lügen
nimmt.»
«Danke, Lina. Du weißt, es muss schnell gehen, noch vor der Sitzungsperiode des Schwurgerichts.» Er sah auf den Boden. «Wenn ich … wenn ich verurteilt werde, wird mein Vermögen vielleicht eingezogen, und dann bekommen meine Töchter gar nichts.»
«Hast du etwas wegen der Gießerei unternommen?», fragte Lina.
Er nickte. «Ich habe einen Vertrag mit Georg und Bertram abgeschlossen und ihnen meine Anteile überschrieben. Mögliche Gewinne gehen an meine Töchter.»
Er schluckte. «Das Gut wird ebenfalls verkauft. Ich hoffe, ich habe meine Angelegenheiten jetzt geregelt. So muss man sich fühlen, wenn man vom Arzt gesagt bekommt, dass keine Hoffnung auf Heilung mehr ist.» Er ballte für einen Moment die Faust. «Aber so wie es aussieht, wird es ja genau darauf hinauslaufen.»
Seine Verzweiflung schnitt Lina ins Herz. «Wenn du dem Richter klarmachen kannst, dass du außer dir warst, weil deine Frau dich betrogen hat …»
Cornelius sah sie direkt an. «Lina, dazu müsste ich mich schuldig bekennen. Aber ich habe Elise nicht getötet, und ich werde nichts gestehen, was ich nicht getan habe.»
«Was hat dein Verteidiger dazu gesagt?»
«Er wollte, dass ich gestehe.»
«Vielleicht …»
«Nein, Lina. Wenn es mein Schicksal will, dass ich auf der Guillotine ende, weil ich meine Unschuld nicht beweisen kann, dann wird das so sein. Aber ich werde nicht lügen, damit ich im Kerker weiterleben kann.»
Er steckte ein Papier durch das Gitter. «Das ist die Vollmacht für alles, was den Umzug und den Verkauf des Hauses betrifft. Wenn du Geld brauchst, wird Georg es dir geben.»
Lina nahm das Papier, und dann hielt sie seine Hand noch eine Weile fest. Sie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte, und kämpfte mit den Tränen.
«Komm heute Nachmittag nicht her, wenn sie mich abholen, Lina», sagte er leise. «Tu dir das nicht an.»
«Aber …»
«Es ist mein Wunsch.»
«Gut.» Sie ließ das Papier in ihrem Korb verschwinden.
Den Weg nach Hause konnte sie kaum sehen durch die Tränen, die sie mühsam zu unterdrücken versuchte. Bisher, solange er in Roberts Obhut war, hatte sie immer noch die Hoffnung gehabt, es würden Beweise zu seiner Entlastung auftauchen. Aber wenn sie ihn am Nachmittag in Ketten nach Wesel brachten, dann war es wirklich hoffnungslos.
Sie konnte nichts mehr für ihren Freund tun. Es blieb ihr nur, seinen Wunsch zu erfüllen, das Haus an der Friedrich-Wilhelm-Straße wieder so herzurichten, wie es vor dem Umzug gewesen war, und alles für den Verkauf des neuen Hauses vorzubereiten.
Mittags kam Robert zum Essen nach Hause. Antonie hatte unter Finchens Aufsicht Kaninchenpfeffer zubereitet. Die Borghoffs hielten hinten im Hof einige Tiere, die sich auch eifrig vermehrten. Aber da sie von Finchens Kindern heiß geliebt wurden, musste man sehr vorsichtig sein, wenn eines oder zwei geschlachtet werden sollten. Finchens Notlüge war dann immer, dass eine böse Katze die Kaninchen geholt hatte.
Am Sonntag hatte es die Keulen gegeben, das übrige Fleisch und die Innereien waren schon gleich nach dem Schlachten drei Tage sauer eingelegt worden.
Robert und Lina aßen im Salon. Robert schien es zu schmecken, aber Lina rührte kaum etwas an.
«Ich hörte, du warst bei Cornelius heute Morgen.» Robert wusste genau, was seine Frau bedrückte.
«Er bat mich, seine Möbel zurück in das alte Haus zu schaffen.» Sie legte das Besteck beiseite. «Robert, er bringt seine Angelegenheiten in Ordnung, als wäre er schon zum Tode verurteilt. Und er wird kein Geständnis ablegen, weil er nach wie vor sagt, dass er unschuldig ist. Der Cornelius, den ich kenne, würde seine Freunde nicht anlügen. Er kann es einfach nicht getan haben.»
«Ich habe keine Wahl», sagte Robert.
«Es wird nicht besser dadurch, dass du es immer wiederholst.» Lina sah ihn an in einer Mischung aus Wut und Verzweiflung. «Hast du wirklich alles überprüft? Alle Aussagen?»
«Ja, Lina. Ich würde ihm ja selbst gern helfen.»
«Wie sieht es der Duisburger Staatsanwalt, als er entschieden hat, den Fall gleich zum Schwurgericht zu geben?»
Robert seufzte. In Gedanken war er es hundertmal durchgegangen. «Sie sind früh vom Maiball weg, weil Elise sich nicht wohl fühlte.»
«Und es ging ihr wirklich nicht gut an dem Abend, das wissen wir beide. Cornelius hat also nicht vorgegeben, früher wegzuwollen.»
«Zu Hause haben sie einen Schlummertrunk zu sich genommen, Elise Wasser und er Rotwein. Er sagt, dann
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