Das dunkle Netz der Lügen
liebgehabt», sagte Hermann. «Aber in dich hatte ich mich schon verguckt, da hatte Tomasz dich nicht einmal bemerkt.»
«Warum hast du damals nie etwas gesagt?»
«Ich war so ein Hallodri.» Hermann drückte ihr einen Kuss aufs Haar. «Ich dachte, bei der, bei der wirst du alles anders machen. An der liegt dir wirklich etwas. Und dann kam der Abend, als du zusammen mit Tomasz auftauchtest. Er war mein bester Freund. Da musste ich zurückstehen.»
«Du Dummer», sagte Zita leise. «Ich hätte ihn damals sofort für dich verlassen. Aber später, später habe ich ihn auch geliebt.»
«Da haben wir viele Jahre vertan.»
«Wir können alles nachholen.»
So lagen sie beisammen, eng aneinandergeschmiegt, bis Zita irgendwann merkte, dass Hermann eingeschlafen war. Vorsichtig löste sie sich aus seiner Umarmung. Was habe ich nur getan?, dachte sie traurig. Sie hatte genau das hier gewollt, sie hatte gewollt, dass er sie in die Arme nahm, gewollt, dass er ihr seine Liebe gestand. Aber sie hatte andererseits auch gehofft, dass es nicht geschah, weil da draußen Matthias Kellerer lauerte, ihre Tochter in seiner Gewalt war und sie nun beide, Hermann und Resi, in Lebensgefahr bringen könnte. Ganz zuschweigen davon, was passierte, wenn Hermann erfuhr, dass sie ihn belogen hatte.
Die Aufregung um die Überstellung des Barons nach Wesel hatte sich gelegt. Beatrice ging es wieder besser. Lina hatte gehofft, dass Henriette Kortmann die Stadt nun verlassen würde, aber nichts dergleichen geschah. Von Eberhard erfuhr Lina, dass Ferdinand Weigel ihr wohl helfen wollte, Ansprüche auf Anteile am Vermögen des Barons durchzusetzen. Noch war es ein paar Monate hin, bis das Schwurgericht tagen würde, und Lina befürchtete, dass Henriette Kortmann und Ferdinand Weigel bis zum Prozess in Ruhrort bleiben würden. Sie wohnten beide in einer kleinen, billigen Pension.
Lina hätte gerne schon den Verkauf des neuen Hauses des Barons geregelt, aber es gab nicht zuletzt durch die Eingaben Weigels im Namen von Elises Mutter Schwierigkeiten. Bisher durfte sie es nicht betreten. So blieben diese Arbeiten zunächst liegen.
Aber Lina hatte auch genug damit zu tun, ihre Schwägerin Aaltje zu unterstützen, denn der Prozess um die Vormundschaft der Jungen stand kurz bevor.
Am Abend vor dem Verhandlungstag musste Georg Dr. Feldkamp rufen lassen, weil Aaltje zusammengebrochen war. Nachdem der Doktor sie versorgt hatte, bat Georg Lina, nach ihrer Schwägerin zu sehen.
Aaltje saß schwer atmend im Bett, viele Kissen im Rücken. Carolinchen hockte bei ihr auf dem Bett und las aus der Schulfibel vor, als Lina und Georg das Zimmer betraten. «Das Ganze bringt sie noch um», hatte er gesagt, als er Lina zu seiner Frau führte.
Jetzt hob er Carolinchen vom Bett und trug sie hinaus. «Mutter braucht ein wenig Ruhe, Liebes.»
«Und warum kommt dann Tante Lina?», fragte das Mädchen.
«Weil sie noch mit deiner Mutter reden muss.» Er schloss die Tür hinter sich.
«Aaltje, warum machst du dir so viele Sorgen? Mina kann den Prozess gar nicht gewinnen.» Sie zog sich einen Stuhl heran und nahm die Hand ihrer Schwägerin.
«Es wird nie mehr Friede sein. Emil wird uns hassen.»
«Irgendwann wird auch er erkennen, was du und Georg für ihn getan habt. Du musst jetzt an dich denken und Ruhe bewahren.»
Aaltje nickte. «Mein Herz ist schwach. Der Doktor sagt, dass ich bin zu dick. Obwohl du meine Kleider eigentlich enger hast machen müssen.»
Das stimmte. Seit Mina in Ruhrort aufgetaucht war, hatte Aaltje so viel abgenommen, dass Lina ihre Kleider ändern musste. Trotzdem konnte man sie keineswegs als abgemagert bezeichnen, bei ihrer Leibesfülle fielen ein paar Pfund weniger kaum auf.
«Morgen Nachmittag ist alles überstanden. Du kannst dich auf Robert verlassen.»
«Ich darf nicht mit nach Duisburg. Der Doktor hat es verboden.» Aaltje begann zu weinen. Lina tätschelte hilflos ihre Hand. «Du könntest ja ohnehin nichts tun außer zuhören.»
Sie blieb bei Aaltje, bis die arme Frau eingeschlafen war. Dr. Feldkamp hatte ihr ein Mittel zur Beruhigung gegeben.
Georg hatte Carolinchen in die Obhut ihrer großen Schwester Elisabeth gegeben und begleitete seine Schwester nach unten. «Ich mache mir große Sorgen. Dr. Feldkamp will, dass sie vorläufig das Bett hütet, aber er kann nicht wirklich etwas tun.»
«Nach dem Prozess morgen wird hoffentlich wieder etwas Ruhe einkehren, und sie kann sich erholen», sagte Lina. Abersie machte
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