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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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dass hauptsächlich die Zehen betroffen sind. Alles andere ist ein Bluterguss, der von einem Fußbruch herrührt.»
    «Jemand hat mir auf den Fuß getreten», erklärte Simon.
    Feldkamp fühlte sich in seiner Berufsehre gekränkt. «Wir sollten hier kein Risiko eingehen, wenn wir sein Leben retten wollen.»
    Demuth ging gar nicht darauf ein. «Wo sollen wir ihn operieren?», fragte er.
    «Wir haben im Keller einen großen Tisch, auf dem Dr.   Feldkamp immer die Sektionen durchführt», sagte Robert.
    «Das geht auf keinen Fall», sagte Hermann. «Da können wir ihn gleich vergiften. Es muss sauber sein, da wo wir operieren.»
    «Was für ein neumodischer Kram», entfuhr es Feldkamp.
    «Ich habe bei einem Arzt gelernt, der sich immer die Hände vor einer Operation wusch und peinlich auf Sauberkeit achtete. Er hat weit weniger Patienten nach den Operationen verloren als andere, Herr Kollege.»
    Robert trat dazwischen. «Wir haben oben noch einen kleinen Raum, in dem wir die Leute verhören. Da gibt es einen größeren Tisch. Wir werden ihn gut abwischen.»
    «Einverstanden, Herr Kollege?», fragte Hermann. Dr.   Feldkamp nickte grimmig.
    Hermann zwang Feldkamp, sich auch die Hände mit der verdünnten Bleiche zu waschen. Ein sauberes Handtuch und einen großen Bottich mit heißem Wasser holten sie von den Nachbarn.
    Oben legten sie Simon auf den Tisch.
    «Hör zu», sagte Hermann zu ihm. «Ich bin der Meinung, dass es reichen könnte, nur die Zehnen abzunehmen und den Bruch zu richten. Aber Dr.   Feldkamp hier hat recht, es ist ein Risiko. Wenn ich unrecht habe und die Vergiftung schon weiter im Fuß steckt, dann könnte es sein, dass in ein paar Tagen dein ganzes Bein amputiert werden muss. Oder dass du stirbst. Das ist deine Entscheidung.»
    Simon sah die beiden Ärzte an. «Wenn Sie recht haben, dann würde ich nur meine Zehen verlieren?»
    Hermann nickte. «Mit einem gut gemachten Schuh könntest du wieder ganz normal laufen.»
    «Und was sagen Sie, Dr.   Feldkamp?»
    «Der junge Mann hier kennt ganz andere Methoden als ich, Simon. Ich würde den Fuß ganz abnehmen, um sicherzugehen. Aber   …» Es fiel ihm offensichtlich schwer, Hermann zuzustimmen. «Wenn wir aufpassen, Junge, dann können wir dich immer noch retten, wenn das hier schiefgeht.»
    Simon nickte. «Dann nur die Zehen.»
    Hermann griff in seine Tasche und holte eine Flasche Äther hervor, die die Leitung des Phoenix ihm gerade bezahlt hatte.
    Robert und Recke gingen wieder nach unten.
    «Eigentlich hat er es gar nicht verdient, dass sich gleich zwei Ärzte um ihn kümmern», sagte Recke.
    «Aber wir können ihn trotzdem nicht krepieren lassen.» Robert ging zu seinem Schreibtisch. «Haben Sie eigentlich heute Nachtdienst?», fragte er seinen Sergeanten.
    «Nein. Ebel ist noch auf seinem Rundgang, ich weiß nicht, was ihn aufgehalten hat.»
    «Dann gehen Sie ruhig nach Hause, Sergeant. Ich bleibe hier, bis er da ist.»
    «Der wird sicher nicht glücklich darüber sein, dass wir hier jetzt ein Krankenhaus sind», grinste Recke und setzte sich seinen Helm auf. «Bis morgen, Herr Commissar!»
    «Bis morgen, Recke!»
    Als der Sergeant gegangen war, zündete Robert eine weitere Öllampe auf seinem Schreibtisch an, dann suchte er den Stapel mit Reckes Notizen von den Befragungen der Diebstahlopfer heraus. Er las sie noch einmal durch. Und was für ihn wie ein schlechter Witz geklungen hatte, nahm unter dem Eindruck von Simons Aussage plötzlich Gestalt an: Alle Frauen waren Linas Kundinnen, und alle hatte im Salon über Geld oder Schmuck geredet.
     
    Emil und Josef lagen wieder in ihren Betten, als wären sie nie aus Ruhrort fort gewesen. Sie hatten kurz ihre kranke Tante besucht, und besonders Josef war entsetzt, wie schlecht es ihr ging. Sie konnte das Bett nicht verlassen, hatte die Haushälterin Tineke ihnen erzählt – mit vorwurfsvollem Blick, der ganz deutlich sagte, wem sie die Schuld dafür gab, dass Aaltje so krank war.
    Emil dachte an die Strafpredigt seines Onkels Georg. Für seine Verhältnisse war er sehr ruhig geblieben, kein Herumgeschreie, keine Ohrfeigen. Diesmal hatte er auch nicht nur nebulöse Andeutungen gemacht, über das, was ihre Mutter tat oder getan hatte. Was im Prozess gesagt worden war über Kellerer und das mögliche Bordell, das er betrieb, erzählte er auch den Jungen. Und von seinem Wunsch, dass sie in geordneten Verhältnissen groß wurden. Dass er Hoffnungen in Emil und Josef gesetzt hatte, einmal wie sein

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