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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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alteingesessenen Ruhrorter von der feinen Reedersfamilie bis zum Gelegenheitsarbeiter im Hafen gut kannte, hatte sich auf Roberts Geheiß umgehört, in der Hoffnung, mögliche Zeugen zu finden. «Sie sind alle sehr bestürzt, dass sich jemand an einem Kind vergreift. Die meisten wissen übrigens nicht, dass Anna Jansen noch lebt. Es hat sich herumgesprochen, dass sie und ihr Kind getötet wurden.»
    «Das ist gar nicht so schlecht.» Robert runzelte nachdenklich die Stirn. «Vielleicht wiegt das den Täter in Sicherheit. Ansonsten könnte er gut über alle Berge sein.»
    «Zeit genug hätte er wohl gehabt», ergänzte Ebel. «Denn Mattes Becker hat gegen drei Uhr nachts die Haustür der Jansens offen stehen sehen.»
    «Mit der Zeitangabe wäre ich aber vorsichtig.» Recke grinste. «Unser Neuer, Kramer, hat Mattes nämlich kurz vor Ende der Schicht aufgegriffen und ins Gewahrsam gebracht, weil er total besoffen war. Er hat aber nicht aus ihm herausgebracht, welcher Altstadtwirt die Polizeistunde nicht eingehalten hat.»
    «Das war wohl die ‹Laterne›.» Ebel setzte sich gerade hin. Wenn es darum ging, Erkundigungen einzuziehen, war er unschlagbar. «Im Übrigen war es gut, dass ich mal wieder eine Runde in der Altstadt gemacht habe. Es scheint nämlich ein Problem auf uns zuzukommen.» Er genoss es, dass ihm alle, einschließlich des Bürgermeisters, aufmerksam zuhörten. «Überall wo ich hinkam, erzählte man mir von kleinen Diebstählen. Nichts Großes, mal ein paar Thaler aus einer Geldbörse oder Kleingeld aus der Jackentasche, manchmal auch die Jacke selbst. Normalerweise hätte ich gesagt, sie haben es verloren, aber in so großer Zahl ist das wirklich auffällig. Und die Diebe müssen sehr geschickt sein, das deutet auf Zugereiste.»
    «Dann sollten wir den Mordanschlag zum Anlass nehmen, herauszufinden, welche neu Angekommenen sich noch nicht haben registrieren lassen», sagte Robert. Er wusste, dies war ja ohnehin im Sinne des Bürgermeisters, und vielleicht ging ihnen so auch der Angreifer ins Netz.
     
    Zita, die Locken gebändigt unter einer strengen weißen Haube, konnte kaum fassen, wie einfach es gewesen war, ins Allerheiligste des Modesalons vorzudringen, auch wenn sie dies durch ihre beherzte Rettung des Kleides am Mittag gar nicht beabsichtigt hatte. Fast bedauerte sie, dass sie so in die Lage versetzt wurde, den Auftrag Weingarts zu erfüllen.
    Die Kundin war Tusnelde Cockerill, die einzige Tochter Franz Haniels, die zwar seit ihrer Eheschließung in Aachen wohnte, doch bei Besuchen gern Linas Dienste in Anspruch nahm. Sie war eine wirkliche Schönheit, aber in ihrer protestantischen Strenge verbot sie sich jegliche Eitelkeit. Linas schlichte Modelle, an denen nur dezente Verzierungen und die Wahl der wertvollsten Stoffe darauf deuteten, dass sie viel Geld gekostet hatten, schienen wie für sie gemacht. Zita, die aus Wien die reichgeschmückten feinen Damen kannte, hielt die schlichte, strenge Person für eine kleine Bürgersfrau. Hier war wohl für den Greifer nicht viel zu holen.
    Zita half Frau Cockerill im Ankleidezimmer, während Lina im Salon Friederike Haniel, die es sich nicht hatte nehmen lassen, ihre Tochter zu begleiten, einen Kaffee eingoss.
    Angestrengt lauschte Zita der Unterhaltung, während sie die Röcke der Kundin über der Krinoline zurechtzupfte.
    «Es geht wieder aufwärts mit den Geschäften», sagte Fritze, wie ihr Mann Franz Haniel sie gerne nannte, gerade. «Spürst du es hier auch schon, Lina?»
    «Ein wenig. Ein paar große Aufträge mehr gibt es bereits. Aber die habe ich Baron von Sannbergs Frau zu verdanken.»
    Fritze lachte leise auf. «Er hat mit der Dame einen Antrittsbesuch bei uns gemacht. Sie könnte ja seine Tochter sein!»
    «Ich glaube nicht, dass sie sich hier in Ruhrort sehr wohl fühlen wird, liebe Tante.» Schon als Kind hatte Lina ihre Nachbarn Franz und Friederike Haniel «Onkel» und «Tante» genannt. «Sie scheint mir so gar nicht hierher zu passen.»
    «Das wird sie wohl eine Weile müssen. Nicht dass der Baron verarmt wäre, aber er hat eine Menge Geld verloren, wie man sagt. Seine Häuser im Ausland sind verkauft, und er möchte eine Weile hierbleiben und sich um sein Gut kümmern.»
    «Vielleicht sollte er sich auch mehr mit der Gießerei befassen.» Die Gießerei im Dorf Hochfeld, auf der anderen Seite der Ruhr, war ein gemeinsames Unternehmen mit Linas Bruder Georg und ihrem Schwager Bertram, die zusammen die Geschäfte von Linas Familie,

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