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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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ihr. «Ich habe die Anna ja kaum gekannt, aber es tut mir sehr leid um sie.» Sie stockte einen Moment. «Aber ja, ich freue mich. Ich arbeite sehr gern hier.»
    «Und ich bin froh, dass ich dich hier habe.» Lina stand auf. «Du musst heute Nachmittag noch einmal für Finchen bei der Anprobe einspringen. Finchen muss sich um den Leichenschmaus morgen kümmern.»
    «Gern, Frau Borghoff.» Zita war ebenfalls aufgestanden und ging zurück in die Werkstatt, wo die anderen beinah verbissen an den Kleidern für die Baronin arbeiteten.
     
    Obwohl der junge Ferdinand Weigel im Hause wohnte, bekamen Lina und die anderen ihn nur selten zu Gesicht. Am Morgen ging er meist gegen acht Uhr zu seiner Arbeit beim Baron, wo er auch frühstückte, und abends kam er spät heim. Lina wunderte sich sehr, als er Elise von Sannberg zur Anprobe begleitete. Er verabschiedete sich aber schnell aus dem Laden. «Ich fahre heute Nachmittag auf das Gut und werde nicht vor Montag nächster Woche zurückkehren», erklärte er Lina.
    «Ja, die beiden lassen mich hier allein in dem kleinen, engen Haus», sagte Elise klagend. «Mein Mann wird zwar schon übermorgen zurückkehren   …»
    «Warum fahren Sie nicht mit?», fragte Lina.
    «In dieses kalte, feuchte Gemäuer? Nein, da ist mir das kleine Haus schon lieber. Aber Cornelius hat mir versprochen, etwas Größeres hier in Ruhrort zu kaufen.»
    Elise verschwand im Ankleidezimmer, um dort mit ZitasHilfe das erste Kleid, ein für Ruhrorter Verhältnisse recht pompöses Nachmittagskleid, anzuprobieren. Für Linas Geschmack hatte der Pariser Entwurf zu viele Rüschen, und auch die zweifarbige Ausführung in einem kräftigen Fliederton und einem dunklen Rosa sagten ihr nicht zu. Elise jedoch schien zufrieden. Nur der Ausschnitt behagte ihr nicht. «Ich habe ein Collier mit einem hellen Saphir, das genau zu diesem Kleid passt. Könnten Sie den Ausschnitt etwas tiefer ansetzen?»
    Lina trat neben sie und runzelte die Stirn. «Das kann ich natürlich tun», sagte sie. «Aber wenn Sie einen Vorschlag erlauben, würde ich die beiden Rüschen, die über die Brust verlaufen, dann gerne verkleinern. Zum einen stimmen die Proportionen bei einem tieferen Ausschnitt nicht mehr, zum anderen käme der Stein dann noch besser zur Geltung. Wo etwa müsste der Ausschnitt sitzen?»
    «Der Stein liegt genau unter dem Halsansatz und ist mit Fassung etwa zwei Finger breit. Cornelius hat ihn mir zur Verlobung geschenkt.»
    «Gut.» Lina ließ sich von Zita die Kreide geben und zeichnete den neuen Ausschnitt grob ein. «Ansonsten gefällt Ihnen das Kleid?»
    «Ich bin erstaunt, wie gut es gelungen ist und wie gut es sitzt, liebe Frau Borghoff. Bei einer Anprobe erwarte ich eigentlich noch größere Änderungen. Sie haben einen sehr guten Blick für Ihre Kundinnen.»
    Lina lächelte stolz.
    Zita hatte aufmerksam zugehört, als von dem Schmuckstück die Rede gewesen war. Nachdem sie Elise in das nächste Kleid, ein ähnlich gearbeitetes Nachmittagskleid mit einer kleinen Jacke für kühlere Tage, geholfen hatte, brachte sie das zu ändernde Stück direkt in die Werkstatt.
    Am zweiten Kleid und auch am dritten, einem sehr leichten Sommerkleid, gab es geringfügige Änderungen. Schließlichprobierte Elise das Prachtstück von einem Ballkleid an, an dem alle tagelang genäht hatten. Lina hatte Elise geraten, entgegen dem Pariser Originalentwurf nicht Rosa, sondern ein zartes Gelb zu wählen und die Akzente nur vergissmeinnichtblau zu halten. Sie hatte eigenmächtig die großen Schleifen verkleinert, am Oberteil jede üppige Verzierung weggelassen und stattdessen Perlenstickereien Ton in Ton, in denen ab und an eine winzige blaue Blüte aufblitzte, aufbringen lassen. Maria hatte in den letzten Tagen ausschließlich daran gearbeitet.
    So sicher sich Lina auch immer ihrer Sache war, sie kannte Elise von Sannberg noch nicht lange genug, um einzuschätzen, wie sie zu ihren Eigenmächtigkeiten stand. Aber Lina war pragmatisch: Sollte das Oberteil der Kundin nicht gefallen, so war es ein Leichtes, ein neues gemäß dem Entwurf anzusetzen und es für eine eigene Kreation zu verwenden.
    Elise hatte die Stirn gerunzelt, als sie das Kleid sah, doch nun, vor dem großen Spiegel im Salon, hellte sich ihre Miene auf. Sie drehte sich zu Zita um. «Bring mir meine Tasche.»
    Gehorsam gab ihr Zita das kleine Handtäschchen. Elise griff hinein, zog einen kleinen Lederbeutel heraus und schüttete den Inhalt auf den Tisch. Zita und Lina machten

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