Das dunkle Netz der Lügen
große Augen: Da lag ein üppiges Diamantencollier mit passenden Ohrringen, einem Ring und einer recht pompösen Brosche, alles passend.
«Na los, hilf mir schon, es anzulegen», herrschte Elise Zita an.
Deren Hände zitterten leicht, als sie das Collier nahm, um es Elise umzulegen. Elise selbst setzte die Brosche auf die Mitte des Dekolletés, wo der Rand des Kleides von Tüll wie von einem Schal eingerahmt wurde und es nun so aussah, als hielte die Brosche den dünnen Stoff.
«Wunderbar!», rief Elise.
«Das Vergissmeinnichtblau passt perfekt zu Ihren Augen»,bemerkte Lina. «Aber zu viel davon hätte von ihnen abgelenkt.»
«Aber Sie hätten mir sagen können, dass Sie vorhaben, den Entwurf zu ändern.»
«Damit Sie es der Provinzkleidermacherin verbieten können?», fragte Lina lächelnd, aber doch ein wenig bissig.
«Meine nächsten Kleider dürfen Sie jedenfalls selbst entwerfen», sagte Elise kühl. Sie nahm den Schmuck ab und ließ ihn wieder in dem Ledersäckchen verschwinden.
Zita steckte noch ein paar kleine Änderungen ab, dann half sie ihr in ihr Nachmittagskostüm. «Können Sie Ferdinand Bescheid sagen, dass ich hier fertig bin?», fragte Elise Lina und drückte dann Zita einen Silbergroschen in die Hand. «Für die Hilfe.» Sieh an, dachte Lina. Sie hat mehr Herz, als ich dachte.
Zita knickste und bedankte sich, dann lief sie auf Linas Geheiß nach oben, wo Ferdinand Weigel inzwischen seine Tasche gepackt hatte. Gemeinsam gingen er und Elise in Richtung Friedrich-Wilhelm-Straße, wo das Haus des Barons stand.
«Wenn du hier aufgeräumt hast, kannst du wieder an deine Arbeit gehen, Zita», sagte Lina. «Das Trinkgeld darfst du behalten.»
Robert Borghoff war später als gewöhnlich auf der Dienststelle erschienen, weil er die Näherinnen und sein Hauspersonal noch befragt hatte. Aber viel Neues über Anna war dabei nicht herausgekommen. Ständiger Streit mit der Schwiegermutter, Ärger über den Mann, der das Geld versoff und es sich mit einem Schustermeister nach dem anderen verdorben hatte, Schulden, Not – all das war ihm bereits bekannt gewesen und brachte ihn nicht weiter. Lina hatte recht, nur wenn er herausfand, warum Anna hier in Ruhrort im Schlaf überfallen worden war, konnte er den Mörder finden.
Der Tag war mit den üblichen Arbeiten vorübergegangen, als am Nachmittag plötzlich ein Mann in schmutziger Arbeitskleidung das Rathaus betrat, direkt hinter ihm, offensichtlich recht zornig, Martha Bromann, die dicke Martha. Ebel und Recke waren auf Streife, die Polizeidiener mit den üblichen Schreibarbeiten beschäftigt, deshalb beschloss Robert, sich selbst um den Mann zu kümmern.
«Ich bin Martin Grote», stellte der sich vor. «Bauarbeiter. Ich habe was gefunden.»
«Auf meinem Grundstück. Es gehört mir!», rief die dicke Martha und griff nach dem kleinen Kästchen, das der Mann unter dem Arm trug.
«Geben Sie es mir», sagte Robert ruhig. «Frau Bromann, wir werden sehen, wem es gehört.»
«Es gehörte Kätt.» Martha verdrehte die Augen. «Jeder weiß, dass sie dort immer geschlafen hat, bevor sie der Schlag getroffen hat.»
«Wo genau haben Sie das Kästchen gefunden?», fragte Robert Grote.
«Wir reißen gerade das Haus vom Tischler Weiß ab. Er ist in die Neustadt gezogen, und niemand will das alte Haus kaufen. Da ist der Schwamm in den Balken, und der Mörtel bröckelt aus den Wänden. Heute sind die letzten Trümmer weggeschafft worden. Und da habe ich das Loch in der Wand vom Nebenhaus gesehen. Das ist das Hurenhaus …»
«Mein Haus», warf Martha bestimmt ein. «Ein Loch in meinem Haus, in der Nische, wo Kätt immer geschlafen hat!»
«Ich will es ja nicht behalten», herrschte Grote sie an. «Ich will nur den Finderlohn, der mir zusteht. Wenn ich den Unrat aus der Nische nicht mit weggeschafft hätte, hätte niemand das Loch sehen können.»
«Was ist denn überhaupt in dem Kästchen?», fragte Robert geduldig.
«Das ist es ja. Da sind fast fünfzehnhundert Thaler drin.»
«Was?»
«Sehen Sie selbst.» Martha öffnete das Kästchen, darin lagen zwei Geldkatzen. Sie nahm eine und schüttete ein paar der Münzen aus. Es waren Goldmünzen, jede zehn Thaler wert, mit dem Konterfei des 1840 verstorbenen Königs Friedrich Wilhelm III.
«Ich habe sie gezählt», sagte Grote. «Es sind genau 142 Goldstücke, dann noch sechs Doppelthaler und ein paar Silbergroschen.»
«Und Sie sagen, das hätte Kätt gehört, Frau Bromann?»
Martha nickte
Weitere Kostenlose Bücher