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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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Gesellschaft ‹Erholung› war angebrochen. Kundin um Kundin schickte Hausdiener und Mädchen in Linas Geschäft, um die bestellten Ballkleider abzuholen. Lina hatte schon in den letzten Tagen die meisten Rechnungen geschrieben und erfreut festgestellt, dass sie in diesem Jahr wieder etwas mehr Geld verdienen würde. Langsam konnte man es überall merken: Der Tiefpunkt der Krise war überwunden.
    Zwischendurch sah sie in der Werkstatt nach dem Rechten, damit auch die letzten der bestellten Kleider spätestens am Morgen des Balltages fertig wurden. Einige wenige Kundinnenkamen auch jetzt noch zur Anprobe, Lina vermutete, dass manche Kleider nur wenige Stunden vor dem Ball fertig werden würden.
    Entsprechend rastlos und gereizt war die Stimmung bei den Näherinnen und Christian. Sie hatten alle so viel gearbeitet in den vergangenen Wochen, dass diese letzte Anstrengung allen zu viel schien. Die Finger waren wund und zerstochen, der Rücken schmerzte, und die Augen waren überanstrengt.
    Lina ahnte, dass Robert ganz froh war, ihr durch einen der Polizeidiener mitzuteilen, dass er wegen der Aufklärung der Diebstähle über Mittag im Rathaus blieb. Auch ihr selbst stand der Sinn überhaupt nicht nach einem gemeinsamen Mittagessen, nachdem sich Susanna und Grete erst lautstark in die Haare gekommen waren, um sich dann aber einmütig gegen Maria zu wenden, die nur versucht hatte, diesen völlig nichtigen Streit zu schlichten. Schließlich hatte sie ein Machtwort sprechen müssen, da die Arbeit sonst liegenblieb, und jetzt war es zwar ruhiger in der Werkstatt, aber man konnte die schlechte Stimmung fast mit Händen greifen.
    So ließ sich Lina das Mittagessen von Antonie in ihrem privaten Salon servieren. Zunächst ging sie noch einmal in Gedanken alle Arbeiten durch, die noch dringend bis zum Abend erledigt sein mussten. Dann schweiften sie aber ab und landeten ganz schnell wieder bei Elise und Weigel und der Frage, ob sie ihrem Freund Cornelius nicht sagen müsste, dass seine Frau ihn möglicherweise betrog.
    Robert hatte sich am Abend zuvor klar dagegen ausgesprochen, weil sie nicht sicher sein konnten, ob die Affäre noch immer andauerte oder Weigel sich einfach nur nicht damit abfinden konnte, dass es vorbei war. Und Lina musste ihm da recht geben. Es könnte alles auch ganz anders sein, und dann würde sie Cornelius nur verletzen und vielleicht sogar ihre lange Freundschaft aufs Spiel setzen.
    Plötzlich hielt sie in ihren Gedanken inne. Es gab eine Möglichkeit, die Sache auf gradlinige Art aus der Welt zu schaffen. Sie stand auf und ging hinüber zu Antonie. «Ich möchte die Mädchen bei Laune halten – und die anderen Angestellten auch. Lauf hinüber zur Bäckerei, Antonie, und besorge für jeden ein Teilchen – für Finchen und die Kinder auch. Ich habe noch etwas zu erledigen, ich hoffe, ich bin in einer halben Stunde zurück.»
    Teilchen – dieses Wort zauberte sofort ein ungewohntes Lächeln auf Antonies Gesicht. Für Gebäck ließ sie selbstverständlich die Küchenarbeit gern liegen und machte sich gleich auf den Weg.
     
    Auch Lina griff sich ihren Stock und verließ das Haus. Sie hatte es ja nicht weit. Kurz darauf klopfte sie bei Baron von Sannberg an die Tür.
    «Ist der Baron zu Hause?», fragte sie Rose, die ihr öffnete.
    «Nein, leider nicht, Frau Borghoff. Er ist heute Morgen schon ganz früh mit Herrn Weigel nach Hochfeld gefahren.»
    «Und die Baronin?»
    «Ja, die ist da. Ich sehe nach, ob sie Zeit für Sie hat. Kommen Sie doch schon einmal in den Salon.»
    Lina war sehr zufrieden mit dieser Auskunft. Rose verschwand im ersten Stock, und Lina betrachtete die erstaunliche Veränderung, die der vorher recht düstere Salon durchgemacht hatte. Alles war in einem zarten Altrosa und warmen Grün gehalten, die Tapeten hatten weiße Streifen mit hübschen Streublumen. Linas Gardinen mit den Raffhaltern passten perfekt dazu. Ein neues Sofa und zwei zierliche Sessel bildeten eine gemütliche Ecke, es gab noch einen kleinen Nähtisch am Fenster und in der anderen Ecke zwei große, mit Leder bezogene Sessel und ein Klavier. Im vorderen Bereich des großen Raumes stand ein mächtiger Tisch, an dem sichermehr als zwölf Personen Platz hatten. Ein großes Büfett für das Geschirr und eine kleine Vitrine mit allerlei hübschen Porzellanfiguren waren die einzigen Wandmöbel. Ja, das war ein geschmackvoller, repräsentativer Salon und trotzdem recht schlicht – man konnte sagen, dass er zu Ruhrort passte.

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