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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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kennen, aber vor dem Baron siezen sie sich. Ich glaube, sie halten mich und Richard für taub. Aber ich kann dem Baron doch nichts davon erzählen! Ich glaube, er liebt seine Frau wirklich.»
    «Das ist richtig so, Rose. Es ist besser, sich da rauszuhalten.»
    Lina machte sich schnell auf den Heimweg. Doch sie war sich nicht sicher, ob sich herauszuhalten tatsächlich das Richtige war.
     
    Emil hatte das Haus 237 in der Wallstraße gefunden. Es war ein großes Gebäude, das kaum mehr als ein paar Jahre alt sein konnte. Zaghaft klopfte er an. Eine ältere Frau in Haube und Schürze öffnete ihm.
    «Ja?»
    «Ich   … ich möchte zu Frau Bleibtreu.»
    «Erster Stock», sagte die Frau kurz angebunden und verschwand sofort wieder in einem der Räume.
    Langsam kletterte Emil hinauf in den ersten Stock und stand vor vielen Türen. Hinter welcher fand er wohl seine Mutter? Während er noch nachdachte, kam eine junge Frau in einem auffallend ausgeschnittenen Kleid aus der letzten der Türen. «Na, Kleiner?», sprach sie an. «Was machst du denn hier?»
    Ihr Dialekt klang für Emil völlig fremd. «Ich-ich suche meine Mutter», stotterte er.
    «Und?», fragte das Mädchen. «Du musst mir schon sagen, wie sie heißt.»
    «Bleibtreu. Frau Bleibtreu. Ich   … ich bin Emil   … Bleibtreu.»
    «So, du bist also einer von Minas Buben», sagte das Mädchen. «Dann komm mal mit.»
    Sie schob ihn zu einer Tür auf der anderen Seite des Flures und öffnete sie. In einem kleinen Raum saßen zwei trotz ordentlicher Anzüge abenteuerlich aussehende Kerle und würfelten. «Der Kleine will zu Mina», erklärte sie ihnen.
    Der eine von ihnen machte nur eine Handbewegung, und dann gingen sie durch die zweite Tür. Mina saß in einem Sessel am Fenster und las in einem Buch.
    «Mutter!», rief Emil.
    Mina sprang auf. «Emil! Mein Junge!» – und dann lagen sie sich in den Armen.
    «Ich geh dann mal», sagte das Mädchen und schloss die Tür hinter sich.
    Emil war überglücklich.
     
    Lina belohnte den besonderen Einsatz ihrer Angestellten mit ein paar zusätzlichen Lebensmitteln, die sie mit nach Hause nehmen durften. Drei Tage vor dem Maiball hatte Zita ein Stück Käse, einen Viertel Brotlaib, Butter und Honig mitbekommen. Es war Samstag, und alle hatten eingewilligt, am Sonntag nach der Kirche zu arbeiten. Trotzdem freute sie sich, Hermann vor der Schicht zu treffen und ihm ihre Schätze zu zeigen.
    Als sie ankam, machte er sich gerade für die Schicht fertig, nahm sich aber gern noch eine Schnitte Brot mit Käse.
    «Das spart eine Menge Geld», sagte er, als er sich die Hände abwischte.
    Zita packte die Lebensmittel in den Kasten. «Ich muss morgen arbeiten», sagte sie. «Die Ballkleider müssen rechtzeitig zum Maiball fertig werden.»
    «Die Männer auf dem Phoenix reden seit Tagen über nichts anderes.»
    «Über den Maiball?», fragte Zita überrascht.
    «Nicht über den feinen Ball, für den du die Kleider nähst. Viele von denen kommen aus kleinen Dörfern in der Eifel. Und sie wollen ihre Bräuche auch hier feiern.» Er griff nach seinem Bündel. «Sie werden Maibäume aufstellen, hier in Ruhrort und auch in Meiderich und Laar. Und einige wollen wohl versuchen, den der anderen zu fällen und zu stehlen. Und dann gibt es noch Bräuche, die die Liebste betreffen. Aber die meisten von ihnen sind ja allein hier.»
    «Erlaubt die Hütte das denn? Ich meine, sie müssen doch arbeiten.»
    «Einige von der Nachtschicht tauschen mit den Wallonen und Westfalen. Sie feiern dann nach der Tagschicht. Einer meiner Puddler hat auch getauscht, mal sehen, wie der Kerl arbeitet, der für ihn einspringt. So, ich muss jetzt los. Schlaf dich gut aus.» Er lächelte ihr zu und machte sich dann auf den Weg. Seine schweren Schuhe polterten auf der Treppe.
    Nachdenklich schob Zita den Lebensmittelkasten unter das Bett. Da würden ja viele Menschen in der Stadt unterwegs sein, wenn die Greiferbande zuschlagen wollte.
    Es war stickig in dem kleinen Zimmer. Sie öffnete das Fensterchen, schlug die Bettdecke zurück und schüttelte das Kopfkissen auf. Die frische Luft tat gut. Noch war es hell genug, um etwas zu tun. Sie holte eine von Hermanns Arbeitsjacken hervor, die er vor ein paar Tagen zerrissen hatte, und begann sie zu flicken.
    Bald wurde es zu dunkel zum Nähen. Zita legte die Jacke beiseite und stand auf, um das Fenster zu schließen. Es war viel los auf den Altstadtstraßen. Die Arbeiter hatten ihren Lohn bekommen und strömten in die

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