Das dunkle Netz der Lügen
Mathis und der Bande zu tun …»
«Eben!» Hermann sah sie nicht an. «Die Einbrüche, die raffinierten Hochstapeleien, das war für mich damals wie ein elegantes Spiel. Wer spielt, verliert auch manchmal. Ein Plan geht nicht auf, die Beute ist nicht mehr am ausgekundschafteten Ort … Dann sah man zu, dass man nicht erwischt wurde, und machte einen neuen Plan. Aber nach und nach war das Mathis nicht mehr genug. Es musste große Beute sein, viel Geld, und Versagen akzeptierte er nicht. Damals geschahen die ersten Morde auf den Raubzügen. Ich bin Arzt, Zita, ich hatte geschworen, Leben zu erhalten, nicht, es auszulöschen.» Er seufzte. «Und dann traf ich Josefa, und ich wusste, ich musste sie heraushalten aus allem, was mit der Bande zusammenhing, und vor allem musste ich sie fernhalten vom Greifer. Als der Kleine geboren war, ging ich hin zu Mathis und erklärte ihm, dass ich aufhören wolle. Dass mein Kind keinen Verbrecher zum Vater haben solle.»
«Und was sagte er dazu?»
«Er hat das nie erzählt, oder?», fragte Hermann.
Zita schüttelte den Kopf.
«Er sagte nichts, außer ‹Mach, dass du fortkommst›. Daswar alles – dachte ich. Wir waren ja immer noch so etwas wie Freunde, wie ich damals glaubte. Natürlich war er nicht glücklich darüber, dass ihm ein Freund den Rücken kehrte, aber er würde mich nicht hindern zu gehen, zumindest habe ich das geglaubt. Das war Ostern vor drei Jahren.»
«Da bist verschwunden, und wir haben nie wieder etwas von dir gehört», sagte Zita. «Erst als Tomasz und ich auf der Flucht waren, habe ich erfahren, dass er mehr wusste. Ich dachte, du wärst mit Josefa und dem Kleinen geflohen, genau wie wir.»
«Es war alles ganz anders, Zita», sagte Hermann. Er hatte die unverletzte Hand zur Faust geballt. «Mathis sagte, ich müsste noch etwas für ihn tun, eine läppische Sache, irgendwo Geld abholen bei einem Gewährsmann. Ich tat es, und als ich das Geld abgeliefert hatte, fragte ich ihn, ob nun alles zwischen uns bereinigt sei, und er bestätigte es. Das Grinsen in seinem Gesicht nahm ich da gar nicht wahr, erst später fiel es mir wieder ein, und ich sehe es noch heute in meinen Träumen.»
Hermann schlug wieder und wieder mit der Faust gegen die niedrige Mauer, an der sie standen, und Zita legte schließlich ihre Hand darauf. Er schwieg einen Moment lang, dann sprach er mit leiser Stimme weiter. «Als ich nach Hause kam, lagen Josefa und der Kleine auf dem Bett. Man hatte sie mit vielen Messerstichen getötet, alles war voller Blut. Ich sah nach, ob sie vielleicht noch lebte, aber das war vergeblich. Meinem Sohn hatten sie einfach das Genick gebrochen.»
Tränen standen in seinen Augen, doch er schämte sich nicht, zu weinen. Zita hielt immer noch seine Hand, aber seine Faust hatte sich gelöst. Sie setzten sich auf die Mauer.
«Ich wollte nicht die Polizei holen, du weißt, wie das ist in unseren Kreisen. Ich habe ein paar wenige Sachen gepackt, Geld aus einem Versteck geholt. Und dann klopfte es, und da stand er, Mathis – Uli Weingart war noch dabei und derLoiserl. ‹Ich dachte, wenn du nicht möchtest, dass dein Sohn einen Vater zum Verbrecher hat, dann erlöse ich dich von deinen Gewissensbissen.› Einer wie wir, sagte er noch, sollte keine Familie haben, und schon bald würde ich ihm dankbar sein, dass er mich von diesem Klotz am Bein befreit habe. Und wenn es an der Zeit sei, dann würde er mir schon sagen, welches von den Mädchen ich haben könnte, um eine Familie zu gründen.»
«So wie bei Tomasz und mir», sagte Zita leise. Sie hatten sich geliebt, aber letztlich hatte Tomasz Matthias Kellerer täuschen müssen, damit er glaubte, er habe diese Ehe eingefädelt.
«Ich habe versucht, ihn zu töten. Ich bin mit dem Messer, das in Josefas Brust gesteckt hatte, auf ihn losgegangen, aber Uli und Loiserl waren sofort zur Stelle. ‹Ich verzeihe dir›, sagte Mathis nur und ging, während die beiden mich gepackt hielten. Dann prügelten sie mich windelweich. Die Leichen haben sie mitgenommen, ich denke, sie haben sie in die Donau geworfen. Aber ich bin aufgestanden und habe einem Gendarmen alles verraten, was ich über den nächsten Coup wusste. Ich habe nicht abgewartet und bin noch in der Nacht aus Wien geflohen.»
«Drei Leute wurden verhaftet, darunter Arthur, den hat Mathis sehr gemocht damals. Und seitdem witterte er überall Verrat. Er vertraute nur noch Mina Bleibtreu.»
«Ist sie eigentlich wieder bei ihrer Familie aufgetaucht?»,
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