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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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schlug zwölf, und die Glocken begannen zu läuten. Simons Magen knurrte. Er blickte hinüber zu den beiden Häusern der Borghoffs und dachte daran, dass dort inzwischenalle zu Mittag aßen. Großes Selbstmitleid überkam ihn. Und dann auch Wut. Wut auf den Commissar und seine Frau, die ihn hinausgeworfen hatten. Am meisten aber Wut auf Finchen, die versucht hatte, mit ihm umzuspringen, wie es Frau Borghoff mit ihrem Mann tat.
    Er atmete tief durch. Nein, er durfte seine Wut nicht zeigen. Wenn er gleich dort anklopfen würde, müsste er reumütig, zerknirscht und friedlich sein. Er wollte zurück in das Paradies, aus dem man ihn vertrieben hatte. Also wartete er geduldig.
    Zuerst verließ der Commissar das Haus und ging zurück ins Rathaus. Und eine halbe Stunde später kam auch seine Frau heraus. Seine ehemalige Chefin trug eines ihrer feinen Nachmittagskleider. Daraus schloss Simon, dass sie wohl für längere Zeit weg sein würde. Er wollte schon hinübergehen und anklopfen, als sich die Haustür neben dem Stoffladen ein weiteres Mal öffnete. Und da stand Finchen, mit sauberer Schürze und adretter Haube, nur ein paar Spuren seiner Schläge waren in ihrem Gesicht noch zu sehen, und sie trug den rechten Arm in einer Schlinge.
    Mit ihr herausgekommen war Oskar, sein sechsjähriger Sohn, der sich aufmerksam die Ermahnungen seiner Mutter anhörte. «Sag dem Bäcker, wir bestellen für morgen sechs Vierpfundlaibe Brot, gib ihm diesen Zettel hier. Und dann darfst du für dich und deine Geschwister zwei Teilchen vom Vortag aussuchen.»
    Oskar nahm stolz den Zettel und wollte gerade loslaufen, als Simon aus dem Schatten der Nische auf die Straße trat. Der Junge erkannte ihn sofort und rannte auf ihn zu. «Papa, Papa!»
    Finchen blieb erstarrt in der Tür stehen, als Simon, Oskar an der Hand, auf sie zukam. «Schau, Mama, Papa ist wieder da!»
    «Was willst du hier?», fragte sie, und er glaubte ein leichtesZittern in ihrer Stimme zu hören. «Komm her, Oskar, komm wieder herein.»
    Oskar sah Simon fragend an, löste dann aber seine Hand aus der seines Vaters und ging gehorsam zu seiner Mutter.
    «Geh hinauf in die Wohnung!», sagte Finchen eine Spur zu scharf zu dem Jungen.
    «Aber der Bäcker   …»
    «Das kann warten, Oskar. Los, tu, was ich dir sage.»
    «Glaubst du, ich würde meinem Kind etwas tun?»
    Oskar wartete auf der Treppe, und Finchen drehte sich zu ihm um, worauf er schnell hinauflief.
    «Mir geht es nicht gut, Finchen», sagte Simon und bemühte sich, schuldbewusst auszusehen.
    «Das sehe ich.» Simon war unrasiert, und wann er sich zuletzt gewaschen hatte, konnte man auch nicht erkennen. Seine Jacke war zerrissen und der Hut zerknautscht.
    «Finchen, ich möchte mit dir sprechen. Bitte lass mich ins Haus.»
    «Das darf ich nicht, Simon. Du bist in diesem Haus unerwünscht.»
    Er wurde eine Spur ärgerlich. «Aber die Borghoffs sind beide nicht hier.» Dann bemühte er sich, wieder ruhig zu werden. «Willst du das alles wirklich hier vor allen Leuten ausbreiten?»
    «Nein, das will ich nicht. Ich will, dass du auf der Stelle gehst. Ich bin darauf angewiesen, hier zu wohnen und zu arbeiten, damit ich meine Kinder allein durchbringen kann.»
    «Wenn du nicht so verdammt stur wärst   …», begann er, zügelte sich dann aber wieder. «Finchen   … ich bin dein Mann. Wenn du es den Borghoffs sagst, dann darf ich wieder hier wohnen. Sie würden dich niemals hinauswerfen.»
    «Irgendwann ist auch ihre Geduld erschöpft», sagte Finchen. «Und meine im Übrigen auch.»
    «Was willst du damit sagen?», fragte er, um einiges lauter als geplant.
    «Du hast ein Papier unterzeichnet, dass du Ruhrort verlässt und mich in Ruhe lässt. Ich will, dass du dich daran hältst.» Sie deutete auf ihren Arm. «Oder glaubst du, das hier würde ich öfter mit mir machen lassen?»
    «Das war doch nur   … Ich war betrunken   … Das passiert doch nicht wieder, Finchen.»
    «Hast du Geld, Simon? Hast du jetzt gerade Geld in der Tasche? Oder hast du das, was ich dem Commissar für dich mitgegeben habe, bereits versoffen und verspielt?»
    Er sah auf den Boden. «Es war mein Geld, oder?»
    «Und jetzt willst du hier wieder unterkriechen, um auch mein Geld versaufen und verspielen zu können.»
    Simon atmete schwer. Da war sie wieder, die Wut. «Du bist meine Frau!», brüllte er. «Du hast kein Geld. Es ist
mein
Geld, meins!»
    Finchen begann zu zittern, trat zurück und wollte die Tür zuschlagen, aber Simon war schneller,

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