Das Dunkle Netz Der Rache
wegen Mordes dran.«
Lisa blinzelte ihn an.
»Kapierst du denn nicht? Er will bestimmt lieber wegen Körperverletzung als wegen Mordes angeklagt werden.«
Es war eine so ehrgeizige und auf diese Randy eigene verdrehte Art brillante Idee, dass sie es kaum über sich brachte, ihn auf die Schwachstelle in seinem Plan aufmerksam zu machen. »Und was ist mit Millie van der Hoeven?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Was stellen wir die ganzen Monate mit ihr an, die es dauern wird, ehe Mr. Reid vor Gericht kommt? Oder will sie sich freiwillig versteckt halten, um dich zu retten?«
Er sah sie kleinlaut an. »Das ist der heikle Punkt bei der Geschichte.«
»Heikel? Baby, an dem Punkt steckst du tief in der Scheiße. Es wird nie funktionieren.«
»Könnte es aber«, behauptet er stur. »Denk doch mal nach. Selbst wenn wir Mr. Reid nichts anhängen können, gewinnen wir Zeit. Wir könnten sie mit zu uns nach Hause nehmen …«
»Mit nach Hause nehmen?«, krächzte Lisa.
»Nur so lange, bis die Bullen überzeugt sind, dass es Mr. Reid war. Selbst wenn wir sie dann gehenlassen und sie Reid verpfeift und er behauptet, dass er nichts mit Becky Castle zu tun hat, steht mein Wort gegen seines. Oder wer weiß? Vielleicht können wir sie ja überreden, dass sie aussagt, sie hätte gesehen, wie er Becky Castle zusammengeschlagen und ihren Bruder ermordet hat.«
»Zwei zum Preis von einem, wie?«
Er erkannte den Sarkasmus in ihrer Stimme nicht.
»Genau! Es gibt keinen Grund, sie schlecht zu behandeln, während sie bei uns ist. Vielleicht können wir uns mit ihr anfreunden.«
Lisa hob die Hand, um seinen Redefluss zu unterbrechen. Es war etwas an dem, was er gesagt hatte – der Kern einer Idee, die vielleicht funktionieren konnte. Sie schloss die Augen, um besser nachdenken zu können. Okay, was wäre, wenn Shaun Reid gestand? Die Ermittlungen würden sich darauf konzentrieren, zu beweisen, dass Shaun der Mann war, der Becky Castle zusammengeschlagen hatte. Beweise, die Randy belasteten, würden vernachlässigt. Übersehen. Möglicherweise, wenn sie Glück hatten, vergessen. Es wäre nicht perfekt, nicht mit einem Opfer, das Randy als Täter nannte, aber es wäre eine riesengroße Hilfe für den gerissenen Anwalt, von dem Rachel glaubte, dass sie ihn engagieren sollten.
Für Mr. Reid wäre es natürlich schrecklich. Vielleicht – sie schauderte aus ihrem tiefsten Inneren heraus, weil sie nicht gewusst hatte, dass sie zu solchen Gedanken fähig war –, vielleicht würde er sich sogar umbringen.
Vielleicht würde Millie van der Hoeven, die so geheimnisvoll verschwunden war, ohne die geringste Spur zu hinterlassen, nie wieder auftauchen.
Lisa blickte in Randys hoffnungsvolle, unschuldige Augen. »Das ist eine großartige Idee, Baby. Ich glaube, damit können wir wirklich etwas anfangen.«
19:50 Uhr
Millers Kill besaß wie die meisten Städte in Reichweite von Lake George, Saratoga und den Bergen zahllose Campingplätze, Hütten und Motels für die Sommerurlauber. Für Besucher, die nach der Herbstlaub-Saison eintrafen, war die Auswahl eingeschränkt. Falls der Reisende nicht in einem der sechs Schlafzimmer, die sich auf drei Pensionen verteilten, nächtigen wollte, hatte er die Wahl zwischen der Sleepy Hollow Motor Lodge, dem Stuyvesant Inn oder dem nagelneuen und äußerst luxuriösen Algonquin Waters Wellnesshotel.
Nach zwei Jahren in dieser Gegend wusste Clare das. Deshalb hätte sie nicht überrascht sein dürfen, als sie die Lounge des Algonquin Waters betrat und ihre Verabredung dort fröhlich mit Diakon Willard Aberforth plaudernd antraf.
Sie saßen an der langen Bar aus grünem Granit, identische Gläser mit torfbraunem Whisky vor sich. Der intensiven Gesichtsfarbe von Aberforth nach zu schließen, war dies der letzte einer Reihe von Drinks.
Hugh entdeckte sie als Erster, sprang von seinem Barhocker und griff sich ans Herz, wobei er schwankte wie ein Mann, der angesichts der Schönheit erblindet. Er erholte sich rechtzeitig, um ihre Hand zu ergreifen und ihr auf seinen verlassenen Hocker zu helfen, eine Hilfe, für die sie angesichts ihres voluminösen Rocks dankbar war. »Vikarin! Du siehst absolut umwerfend aus. Du wirst die schönste Frau des Abends sein! Sieht sie nicht einfach großartig aus?«
Seine letzte Bemerkung war an Diakon Aberforth gerichtet, der Clare mit wesentlich größerer Aufmerksamkeit betrachtete, als er aufgebracht hätte, wenn er ganz nüchtern gewesen wäre. »Elegant«, verkündete er
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