Das Dunkle Netz Der Rache
keine Spur von Millie van der Hoeven.«
»Okay, kommen Sie zurück. Wir legen eine Pause ein und halten eine Einsatzbesprechung ab.«
»Schon unterwegs.« Sie schaltete das Funkgerät aus. Sie war froh, GPS und Landkarte dabeizuhaben. Von der Stelle, an der sie stand, erstreckte sich riesig und schweigend der Wald, scheinbar ohne Unterbrechung in alle Ewigkeit. Sie wusste, dass sie über den Haudenosaunee-Besitz lief, dass Holzfäller und Jäger und Camper hierherkamen, ihn formten und ihre Spuren hinterließen. Aber während sie zwischen den grabgrauen Erlen und massiven, krötenfarbenen Eichen hindurchlief, schien ihr der Gedanke, Menschen könnten dieses Land besitzen oder dass jemand überhaupt jemals einen Fuß darauf gesetzt hatte, völlig irreal.
Sie kletterte über einen verrottenden Baumstamm, ihre Stiefel trafen auf kaffeebraunen Brei und fleischige Pilze. Der Geruch, kräftig und feucht, vermischte sich mit dem Duft des Kiefernharzes. Eine blitzschnelle Bewegung erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie wirbelte herum, gerade noch rechtzeitig, um einen Graufuchs wie einen Rauchstreif im Boden verschwinden zu sehen.
Ohne die zeitraubende langsame und umsichtige Suche dauerte der Weg zurück viel kürzer als der Hinweg. Der Pfad war immer deutlicher zu erkennen. Sie kam an einem Wegweiser zu einem Wasserfall vorbei – auf ihrer Karte eingetragen – und an einem zu dem verfallenen Hauptcamp aus den 1860ern. Sie dachte daran, einen Umweg zu machen, um beides zu besichtigen, aber ihr Magen knurrte protestierend. Wenn ihr Gewissen sie nicht auf dem rechten Pfad hielt, übernahm ihr Appetit diese Aufgabe.
Die Bäume lichteten sich, und sie sah die anderen, die den Pfad zu der niedrigen Steinmauer um den Garten von Haudenosaunee entlangeilten. Duane, der zurückgeblieben war, winkte. »Hey, Reverend.«
Er wartete, während sie durch die Pforte trat, über den noch immer üppigen Rasen lief und um die Waschbetonterrasse herumging, die fast die gesamte Breite des Hauses einnahm. Von Planen verdeckte Umrisse zeigten an, wo Gartentisch und –stühle standen, und leere Ketten hingen locker von einem Holzrahmen. Sie stellte sich eine Holzschaukel vor, zu empfindlich, um den langen Winter der Adirondacks im Freien zu verbringen.
»Ganz nett, nicht?« Duane wies auf die Fenstertüren. »Wie würde es Ihnen gefallen, hier mal zu grillen?«
»Momentan interessiere ich mich mehr für das Badezimmer«, erwiderte sie und bog um die Ecke in Richtung des Stimmengewirrs vor dem Haus. Sie und Duane liefen an den braunen Strünken und Pflanzentöpfen vorbei, die deutlich zeigten, dass sie sich jenseits der Grenze für ganzjährig blühende Vegetation befanden. Sie liefen knirschend über einen Teil der gekiesten Zufahrt, stiegen die Stufen hinauf und wurden von einer Gruppe Rettungsleute aufgehalten, die sich alle gleichzeitig durch die Haustür zu quetschen versuchten. Sie drehte sich um, um die Aussicht auf die Berge zu betrachten, und entdeckte Russ Van Alstynes Pick-up, der am Rand der Zufahrt parkte.
Ihr Herz tat einen lächerlichen, schwindelerregenden Sprung. Sie atmete tief durch. Okay, ein Mensch wurde vermisst. Eugene van der Hoeven musste die Polizei gerufen haben. Aber Russ hatte ihr erzählt, er hätte am Samstag dienstfrei. Vielleicht war die Dienststelle überfordert und hatte ihn zurückgerufen? Logische Gedanken, von denen keiner das idiotische Lächeln aus ihrem Gesicht wischte.
Breit grinsend ein Haus zu betreten, in dem sich eine Tragödie ereignet, ist ganz einfach unverschämt, rügte ihre Großmutter Fergusson. Jeder würde annehmen, sie hätte etwas gesehen, etwas entdeckt. Sie schluckte ihr Lächeln hinunter und ging mit so viel Gelassenheit, wie sie aufzubringen vermochte, hinter Duane her.
Eine zierliche, dunkelhaarige Frau in Jeans und Sweatshirt hielt die Tür auf. Voller Abscheu betrachtete sie die verrottenden Blätter und Schmutzspuren, die sich auf dem Boden sammelten.
Eugene van der Hoeven stand abseits der Rettungsmannschaft, die sich um den Tisch drängte, und unterhielt sich mit zwei Männern in gemusterter Tarnkleidung und orange reflektierenden Warnwesten. Der größere der Jäger war ihr halb zugewandt. Russ riss einen Sekundenbruchteil die Augen auf, dann entspannte er sich. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einer Art Lächeln.
»Herzlichen Glückwunsch«, flüsterte Clare lautlos. Sie schlenderte auf die Männer zu.
»Chief Van Alstyne.«
Er nickte ihr zu. »Reverend Fergusson.
Weitere Kostenlose Bücher