Das Dunkle Netz Der Rache
Bäume waren schlank und standen eng nebeneinander, noch im Wettstreit um Licht und Raum, den nur wenige ausgewachsene Bäume schließlich teilen würden. Überall wuchsen Brombeeren, und Billy hatte sich die Handschuhe zum Schutz über seine Manschetten gezogen. Sie brachen durch eine letzte Wand aus Baumwürger und Sumach und stolperten auf einen breiten Feldweg.
»Wo, zum Teufel, sind wir?«, fragte Billy.
Chuck knöpfte seine Jackentasche auf und holte Karte und Kompass heraus. Er klappte die Karte auf und hielt sie und den Kompass vor sich, nach dem dämmrigen Schatten der Wälder zwinkerte er im hellen Sonnenlicht. Er drehte sich nach links und rechts, dann einmal um sich selbst.
»Was machst du da?« Billy verlor die Geduld. »Sind wir irgendwo in der Nähe vom Auto? Ich werde diese Strecke nämlich auf keinen Fall zurücklaufen.«
»Ich glaube, wir sind auf einem dieser Holzwege.« Chuck wies auf eine gestrichelte rote Linie auf der Karte. »Hügelabwärts« – er zeigte nach rechts – »kommen wir zur Route 117. Könnte sein, dass derjenige, der um Hilfe geschrien hat, hier irgendwo in der Nähe ist. Ich glaube, wenn er auf der nächsten Zugangsstraße wäre, hätten wir ihn nicht so deutlich hören können.« Er wies auf eine zweite gestrichelte rote Linie weiter westlich.
»Wenn derjenige, wer immer gerufen hat, noch hier ist – und das ist ein großes Wenn –, sollte er lieber da unten sein. Ich will verdammt sein, wenn ich bergauf nach einem Flachländer suche.« Billy marschierte los, ohne abzuwarten, ob Chuck ihm folgte. Das war auch nicht nötig. Er hatte die Autoschlüssel.
»Wir sollten als Erstes bergauf gehen.« Chuck rannte, um ihn einzuholen. »Was, wenn wir ihn unten nicht finden?«
»Chuck, ich raube dir nicht gern deine Illusionen und so, aber als dein Freund muss ich es dir sagen. Ich habe schon erlebt, wie du Schlüssel, Mäntel und deine Brille verloren hast, und einmal auf dem Jahrmarkt sogar dein Kind.«
»Ich habe sie wiedergefunden!«
»Sie hat sich von selbst im Büro gemeldet. Was ich zu sagen versuche, und krieg das bitte nicht in den falschen Hals: Du kannst nicht mal mit beiden Händen deinen eigenen Arsch finden.«
In diesem Moment kamen sie um die Biegung und sahen das Mädchen auf dem Weg liegen. Billy erstarrte vor Überraschung einige Sekunden, während Chuck losrannte, sein Gewehr ablegte und sich neben sie kniete. Er drehte sich zu Billy um. »Verdammt, komm schon. Du bist der mit dem Erste-Hilfe-Kurs.«
Das brach den Bann. Billy lief hinunter und kam schlitternd neben ihnen zum Stehen. Der Kopf des Mädchens war blutverschmiert; ihre Hand kalt, als er sie in die seine nahm. Er drückte seine Finger auf ihr Handgelenk.
»Ist sie …?« Chuck sah aus, als müsste er kotzen.
Billy schüttelte den Kopf. »Lauf zur Straße und versuch, Hilfe aufzutreiben. Sie lebt.«
12:30 Uhr
Sitzen tat gut. Zu gut. Im winzigen engen Innenraum des Shelby wurde Clare schmerzlich bewusst, dass sie in und durch einige unerfreulich verweste Substanzen gelaufen war und dass sie in der Eile, rechtzeitig zum Treffpunkt der Suchmannschaft zu gelangen, vergessen hatte, vor dem Anziehen ihr Deo zu benutzen. Sie stank.
Sie kurbelte die Scheibe herunter und sah Lisa kurz an. »Macht es Ihnen etwas aus?«
»O nein. Gar nicht.« Wunderbar. Ihr Passagier roch es also auch. Sie legte den Gang ein, betete kurz, dass nichts kaputtging oder auf die Zufahrt von Haudenosaunee knallte, und ließ das große Camp hinter sich.
»Wo wohnen Sie?«
»Biegen Sie links auf den Highway 53 ab, über die Muddy Brook Road und dann ein Stück die Route 127 hinunter.« Sie sah Clare von der Seite an. »So, jetzt hätte ich gern gewusst, was in den Unterlagen stand, die Sie gelesen haben.«
Clare hob überrascht den Blick von der Straße. In diesem Moment hörte sie es. Zwei Gewehrschüsse, direkt hintereinander, das Knallen so dicht an ihrem Fenster, dass sie unwillkürlich zusammenzuckte.
»Verdammt, was war das?« Lisas Kopf fuhr auf der Suche nach dem Ursprung der Schüsse herum.
»Ein Alarmsignal.« Clare sah in den Rückspiegel. »Für Jäger. Wenn sie in Schwierigkeiten stecken, feuern sie zwei Mal.« Die Straße war in beiden Richtungen leer. Sie trat auf die Bremse und beugte sich hinaus in die kühle Luft. »Hallo da draußen!«, schrie sie. »Wo sind Sie?«
Verzerrte Stimmen riefen: »Hier!« Ganz nah.
Lisa wies die Straße hinunter. »Da vorn ist ein Feldweg, der nach Haudenosaunee
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