Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
Vom Netzwerk:
man jemanden richtig anhört.
    Auch gut. Es spielt keine Rolle.
    Nichts spielt mehr eine Rolle.
    »Das Amt für Anhörung «, sagt der Bürgermeister, als wir um die letzte Straßenkehre biegen.
    Die Außenmauer des Klosters wurde wieder aufgebaut, aber man sieht das neue Gebäude, es ragt über die Mauer, ein großer, steinerner Klotz, der so aussieht, als täte er nichts lieber, als einem das Gehirn zu zerquetschen, wenn man ihm zu nahe kommt. Und auf dem neu errichteten Eingangstor prangt ein großes silbernes A, das genauso aussieht wie das A auf unseren Uniformen.
    Zu beiden Seiten des Eingangs sind Wachen in Armeeuniformen postiert. Einer von ihnen ist Ivan, er ist noch immer Gefreiter, er schaut noch immer verkniffen drein. Als ich näher heranreite, versucht er meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sein Lärm hallt wider von Gedanken, die der Bürgermeister bestimmt nicht hören soll.
    Ich achte nicht auf ihn. Ebenso wenig der Bürgermeister.
    »Jetzt werden wir herausfinden, wann der wirkliche Krieg beginnt«, sagt der Bürgermeister.
    Das Tor öffnet sich, und es tritt der Mann heraus, der die Anhörungen leitet, der Mann, der herausfinden soll, wo sich die Antwort versteckt und wie man sie am besten stellt.
    Unser frisch beförderter Chef.
    »Herr Präsident«, grüßt er.
    »Käpten Hammar«, erwidert Bürgermeister Prentiss seinen Gruß.

28
    Der Soldat
    (VIOLA)
    »Ruhe«, sagt Mistress Coyle und legt mahnend einen Finger an die Lippen.
    Der Wind hat sich gelegt und unsere Schritte lassen die herabgefallenen Zweige auf dem Waldboden knacken. Wir bleiben stehen und lauschen, ob wir den Marschtritt von Soldaten hören können.
    Nichts.
    Gar nichts.
    Mistress Coyle nickt und läuft weiter, den Hügel hinunter, zwischen den Bäumen hindurch. Ich folge ihr. Wir sind nur zu zweit.
    Sie und ich und die Bombe, die ich auf dem Rücken trage.
    Bei der Rettungsaktion haben wir hundertdreiundzwanzig Gefangene befreit. Neunundzwanzig von ihnen starben entweder auf dem Weg ins Lager oder später im Camp. Corinne war die Dreißigste. Andere konnten wir nicht befreien, wie die arme, alte Mrs Fox, wahrscheinlich werde ich niemals erfahren, was aus ihr geworden ist. Aber Mistress Coyle schätzt, dass wir mindestens zwanzig Soldaten getötet haben. Wie durch ein Wunder kamen bei dem eigentlichen Angriff nur sechs Mitglieder der Antwort ums Leben, unter ihnen Thea und Mistress Waggoner, aber fünf weitere wurden gefangen genommen, und man wird sie zweifellos foltern, damit sie das Versteck der Antwort verraten.
    Also haben wir unser Lager an einen anderen Ort verlegt. In größter Eile.
    Sogar als viele der Verwundeten noch gar nicht wieder alleine laufen konnten, luden wir schon Lebensmittel und Waffen, alles, was wir nur irgendwie wegtragen konnten, auf Fuhrwerke, auf Pferde, auf die Rücken der Gehfähigen, und wir flohen in die Wälder, marschierten die ganze Nacht, auch noch den nächsten Tag und die nächste Nacht, bis wir an einen See kamen, der unterhalb einer Felswand lag; hier hatten wir wenigstens Wasser und waren notdürftig vor der Witterung geschützt.
    »Das muss reichen«, sagte Mistress Coyle.
    Wir schlugen ein Lager am Seeufer auf.
    Und dann begannen wir, uns auf den Krieg vorzubereiten.
    Sie macht eine Handbewegung und ich ducke mich instinktiv unter einen der Büsche. Wir sind auf einem schmalen Pfad, der zu der Straße führt, auf der gerade eine Abteilung Soldaten mit all ihrem Lärm in die entgegengesetzte Richtung marschiert.
    Unsere eigenen Vorräte des Gegenmittels werden von Tag zu Tag kleiner, und Mistress Coyle hat damit begonnen, es zu rationieren, aber seit dem Überfall ist es für alle Männer, gleich ob mit oder ohne Lärm, sowieso viel zu gefährlich, in die Stadt zu gehen. Das bedeutet gleichzeitig, dass sie uns nicht mehr in den Fuhrwerksverstecken zu einfachen Angriffszielen bringen können. Es ist jetzt natürlich auch schwieriger, unentdeckt zu entkommen, deshalb müssen wir umso vorsichtiger sein.
    »Okay«, flüstert Mistress Coyle.
    Ich stehe wieder auf. Die Monde sind unser einziges Licht.
    Wir überqueren die Straße. Geduckt.
    Nachdem wir unser Lager an den See verlegt hatten, nachdem wir all die vielen Menschen gerettet hatten, nachdem Corinne gestorben war …
    … nachdem ich mich der Antwort angeschlossen hatte …
    … fing ich an, manches zu lernen.
    »Grundausbildung« nannte es Mistress Coyle. Sie erfolgte unter Anleitung von Mistress Braithwaite. Doch nicht nur

Weitere Kostenlose Bücher