Das dunkle Paradies
ist, der es verdient hat.«
Er warf noch einen Stein ins Wasser. Aber diesmal lehnten wir uns nicht mit den Schultern aneinander. Zwischen uns war eine Lücke.
»Ich werde ihn trotzdem umbringen«, sagte er.
Ich ziehe die Schutzfolie ab und befestige den Sprengsatz seitlich am Brunnen, dabei benutze ich einen Klebstoff, den wir aus Baumharz gewinnen. Ich ziehe zwei Drähte aus meinem Rucksack und befestige sie an zwei weiteren Drähten, die aus der Bombe ragen, zwei Enden verbinde ich miteinander, das andere Ende lasse ich in der Luft baumeln.
Jetzt ist die Bombe entsichert.
Ich hole ein kleines grünes Kästchen mit Zifferntasten aus der vorderen Tasche meines Rucksacks und verbinde das freie Ende des Drahts mit dem Kästchen. Ich drücke zuerst einen roten Knopf auf dem Kästchen und dann einen grauen. Die Ziffern leuchten grün auf.
Jetzt kann der Zeitzünder eingestellt werden.
Ich drücke auf einen silberfarbenen Knopf, bis die Ziffern auf 30:00 stehen. Dann drücke ich wieder auf den roten Knopf, klappe eine grüne Abdeckung auf, stecke zwei Metallbügel zusammen, dann drücke ich noch einmal den grauen Knopf. Sofort beginnen die grünen Ziffern rückwärtszulaufen: 29:59, 29:58, 29:57.
Jetzt tickt die Bombe.
»Gut gemacht«, flüstert Mistress Coyle. »Jetzt ist es Zeit abzuhauen.«
Und dann, nachdem wir uns fast einen Monat lang in den Wäldern versteckt und darauf gewartet hatten, dass die Gefangenen wieder zu Kräften kamen, nachdem wir täglich den Kampf geprobt hatten, um zu einer schlagkräftigen Armee zu werden, kam die Nacht, in der das Warten ein Ende hatte.
»Steh auf, mein Mädchen«, sagte Mistress Coyle vom Fußende meiner Pritsche.
Ich blinzelte mir den Schlaf aus den Augen. Draußen war noch pechschwarze Nacht. Mistress Coyle sprach leise, um die anderen im Langzelt nicht zu wecken.
»Was ist?«, fragte ich im Flüsterton.
»Du wolltest doch eine Beschäftigung haben.«
Ich stand auf und ging in die Kälte hinaus, trampelte mit den Füßen, um meine Stiefel hochzuziehen, während Mistress Coyle ein Paket für mich zurechtmachte.
»Wir gehen in die Stadt, nicht wahr?«, fragte ich und band mir die Schnürsenkel.
»Ein echtes Genie, diese Kleine«, murmelte Mistress Coyle in das Paket.
»Weshalb heute? Weshalb gerade jetzt?«
Sie blickte zu mir hoch. »Weil wir sie daran erinnern müssen, dass es uns immer noch gibt.«
Der Rucksack baumelt leer auf meinem Rücken. Wir überqueren den Hof und schleichen uns zum Haus, wo wir stehen bleiben, um uns zu vergewissern, dass sich niemand regt.
Niemand regt sich.
Ich will gehen, aber Mistress Coyle beugt sich zurück und blickt an der großen weißen Außenwand des Hauses hoch.
»Diese Fläche ist perfekt«, sagt sie dann.
»Wofür?« Ich bin etwas kribbelig, weil ein Zeitzünder tickt.
»Hast du vergessen, wer wir sind?« Sie greift in eine Tasche ihres langen Heilerinnenkleids, das sie immer noch trägt, obwohl Hosen so viel praktischer wären. Sie kramt etwas hervor und wirft es mir zu. Ohne nachzudenken, fange ich es auf.
»Warum erweist du ihnen nicht unsere Reverenz?«, fragt sie.
In meiner Hand liegt ein bröckeliges Stück blauer Holzkohle, Überrest eines Lagerfeuers. Es hinterlässt eine blaue Staubschicht auf meiner Haut.
Ich betrachte es eine Weile.
»Tick, tack«, erinnert mich Mistress Coyle.
Ich hole tief Luft. Dann nehme ich das Stück Holzkohle und mache hastig drei Striche auf die Hauswand.
Ein A, das mich anstarrt, geschrieben von meiner eigenen Hand.
Ich merke, wie schwer mein Atem geht.
Als ich mich wieder umschaue, ist Mistress Coyle schon im Straßengraben verschwunden. Geduckt renne ich hinterher.
Achtundzwanzig Minuten später, wir sind gerade bei unserem Fuhrwerk tief im Wald angekommen, hören wir den Knall.
»Glückwunsch, Soldat«, sagt Mistress Coyle. »Du hast soeben den ersten Schuss in der Entscheidungsschlacht abgegeben.«
29
Die Kunst der Anhörung
[TODD]
Die Frau ist auf einen Metallrahmen gebunden, ihre Arme sind nach oben gestreckt, die Handgelenke sind an eine Stange des Rahmens gefesselt.
Es sieht aus, als tauche sie gerade in einen See ein.
Nur das wässrige Blut, das ihr übers Gesicht rinnt, passt nicht dazu.
»Jetzt wird sie es wohl kapieren«, sagt Davy.
Aber seine Stimme ist seltsam leise.
»Noch mal von vorne, meine Freundin«, sagt Mr Hammar und stellt sich hinter sie. »Wer hat die Bombe gelegt?«
Heute Nacht ist die erste Bombe seit dem Überfall auf das
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