Das dunkle Paradies
Tagen ein größerer Angriff bevorsteht, vielleicht schon morgen.«
Davy wirft mir einen Blick zu. Ich blicke über den Bürgermeister hinweg auf einen x-beliebigen Punkt an der Wand über ihm. »Wir werden sie natürlich besiegen«, sagt der Bürgermeister. »Und zwar ohne Mühe. Ihre Streitmacht ist so viel kleiner als unsere, dass es kaum länger als einen Tag dauern wird.«
»Lass uns kämpfen, Pa«, bittet Davy eifrig. »Du weißt, wir sind bereit.«
Der Bürgermeister lächelt seinen Sohn an. Davys Lärm wird so rosarot, dass ich fast nicht hinsehen kann.
»Du wirst befördert, Davy«, sagt der Bürgermeister. »Du wirst der Armee zugeteilt. Du bist von nun an Sergeant Prentiss.«
Davys Gesicht explodiert in ein Grinsen und sein Lärm platzt fast vor Freude. »Heilige Scheiße«, sagt er, so als wäre er ganz allein.
»Du wirst mit Käpten Hammar reiten, wenn er den ersten Angriff führt«, sagt der Bürgermeister. »Du wirst genau den Kampf bekommen, den du dir wünschst.«
Davy glüht vor Aufregung. »Oh Mann, danke, Pa!«
Der Bürgermeister wendet sich an mich. »Und aus dir wird Leutnant Hewitt.«
Davys Lärm verändert sich schlagartig. »Leutnant?«
»Von dem Moment an, in dem der Krieg beginnt, wirst du mein persönlicher Leibwächter sein«, erklärt der Bürgermeister weiter. »Du wirst stets an meiner Seite sein und alle Gefahr von mir fernhalten, während ich das Kampfgeschehen leite.«
Ich sage nichts, ich hefte meine Augen einfach auf die kahle Wand.
ICH BIN DER KREIS UND DER KREIS IST DAS ICH .
»Und so dreht sich der Kreis, Todd«, sagt Bürgermeister Prentiss.
»Weshalb wird er zum Leutnant befördert?«, fragte Davy und in seinem Lärm knistert es.
»›Leutnant‹ ist kein Dienstgrad für einen kämpfenden Soldaten«, erwidert der Bürgermeister gelassen. »›Sergeant‹ dagegen schon. Wenn du kein Sergeant wärst, könntest du nicht kämpfen.«
»Oh«, sagt Davy und blickt von seinem Vater zu mir hin, um sich zu versichern, dass er nicht auf den Arm genommen wird. Ich zeige keinerlei Regung.
»Kein Grund mir zu danken, Leutnant«, sagt der Bürgermeister spöttisch.
»Ich danke Euch«, erwidere ich, den Blick auf die Wand geheftet.
»Dann musst du nicht tun, was du nicht tun willst«, sagt er. »Dann musst du nicht töten.«
»Solange es keiner auf Euch abgesehen hat«, korrigiere ich ihn.
»Solange es keiner auf mich abgesehen hat, ja. Wäre das ein Problem für dich, Todd?«
»Nein«, antworte ich. »Nein, Sir.«
»Gut«, sagt der Bürgermeister.
Ich schaue wieder durch den Spiegel. Der Kopf des nackten Mannes ist auf seine Brust gesackt, aus seinem geöffneten Mund rinnt Speichel. Mr Hammar streift wütend seine Handschuhe ab und wirft sie auf den Tisch.
»Ich bin wirklich vom Glück begünstigt«, sagt der Bürgermeister herzlich. »Ich wollte auf diesem Planeten wieder Ordnung schaffen, und ich habe erreicht, was ich wollte. Schon in wenigen Tagen, vielleicht sogar in wenigen Stunden, werde ich die Terroristen zermalmen. Und wenn die neuen Siedler eintreffen, dann werde ich derjenige sein, der ihnen stolz und in friedlicher Absicht die Hand zum Willkommensgruß reicht.« Er hebt die Hand, als könne er es gar nicht erwarten, sie ihnen entgegenzustrecken. »Und wer wird dann an meiner Seite stehen?« Er streckt beide Hände aus. »Ihr zwei werdet es sein.«
Davy, dessen Lärm rosarot wallt, ergreift die Hand seines Vaters.
»Mit einem Sohn bin ich in diese Stadt gekommen«, fährt der Bürgermeister fort und hält noch immer die zweite Hand ausgestreckt, »aber diese Stadt hat mir einen zweiten Sohn geschenkt.« Er hält mir seine Hand hin, wartet darauf, dass ich sie ergreife. Wartet darauf, dass sein zweiter Sohn ihm die Hand gibt.
»Na, Herzlichen Glückwunsch, Leutnant Schweinebacke«, sagt Davy und springt mit einem Satz in den Sattel.
»Todd?«, ruft Ivan und kommt von seinem Posten ein paar Schritte auf mich zu. »Kann ich dich kurz sprechen?«
»Er ist jetzt dein Vorgesetzter«, klärt ihn Davy auf. »Du wirst jetzt Herr ›Leutnant‹ zu ihm sagen, wenn du nicht Latrinen an der Front ausheben willst.«
Ivan holt tief Luft, um sich zu beruhigen. »Sehr wohl. Herr Leutnant, auf ein Wort?«
Ich sitze auf Angharrad und blicke auf ihn hinunter. Ivans Lärm strömt über von Gedanken an Gewalt, an den Gewehrschuss in sein Bein, an Verschwörung und Neid und daran, wie er wieder die Gunst des Bürgermeisters erringen könnte, all dies denkt er völlig
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