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Das dunkle Paradies

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Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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werde ich«, sagt er.
    Er greift in die Tasche zu seinen Füßen und zieht ein Metallband mit der Nummer 1391 hervor.

33
    Väter und Söhne
    [TODD]
    »Hat er dir gesagt, was er wollte?«, fragt Davy.
    »Wann soll ich mit ihm gesprochen haben, ohne dass du dabei warst?«, frage ich zurück.
    »Pah, Schweinebacke, du wohnst im selben Gebäude wie er.«
    Wir reiten zum Amt für Anhörung , die Sonne geht unter am Ende eines langen Arbeitstages. Zweihundert Frauen haben wir heute gekennzeichnet. Wenn Mr Hammar mit seinem Gewehr über die Prozedur wacht, dann geht es schneller. Dem Vernehmen nach haben wir zusammen mit den anderen Teams in der Stadt, dem von Mr Morgan und dem von Mr O’Hare, so gut wie alle Frauen durch, allerdings scheinen die Wunden bei Frauen nicht so rasch zu verheilen wie bei Schafen oder Spackle.
    Ich blicke zum Himmel, der schon dunkel wird, und mir kommt ein Gedanke. »Wo wohnst du eigentlich?«
    »Ach, jetzt fragt er.« Davy gibt Deadfall die Zügel, sodass der ein paar Schritte vorneweggaloppiert, um dann wieder in Trab zu fallen. »Jetzt, wo wir schon beinahe fünf Monate zusammenarbeiten.«
    »Ich frage dich eben jetzt.«
    Davys Lärm wird ein wenig heftiger. Er will darauf nicht antworten, da bin ich mir sicher.
    »Du musst mir nicht …«
    »Über den Ställen«, sagt er. »Kleines Zimmer, Matratze auf dem Fußboden. Stinkt nach Pferdescheiße.«
    Wir reiten weiter. Vorwärts , wiehert meine Angharrad. Vorwärts , wiehert Deadfall zurück. Todd , denkt Angharrad. »Angharrad«, flüstere ich.
    Seit er es mir vor vier Nächten zurückgebracht hat, haben wir kein Wort über das Buch meiner Mutter gesprochen. Kein einziges. Und falls doch etwas darüber in unserem Lärm auftaucht, dann überhören wir es.
    Aber wir sprechen jetzt öfter miteinander.
    Ich frage mich langsam, was für ein Mensch ich wohl wäre, wenn ich den Bürgermeister zum Vater hätte. Ich frage mich langsam, was für ein Mensch ich wohl wäre, wenn ich den Bürgermeister zum Vater hätte und nicht der Sohn wäre, den er sich gewünscht hat. Ich frage mich, ob ich dann auch über den Ställen schlafen würde.
    »Ich gebe mir ja Mühe«, sagt Davy leise. »Aber wer weiß schon, was zum Teufel er will?«
    Ich weiß es auch nicht, also schweige ich.
    Wir binden unsere Pferde am Eingangstor fest. Als ich hineingehe, sucht Ivan wieder einmal meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber ich beachte ihn nicht.
    »Todd«, ruft er, als ich an ihm vorbeigehe, er gibt sich jetzt noch mehr Mühe.
    »Für dich heißt das ›Mr Hewitt‹«, faucht ihn Davy an.
    Ich gehe weiter. Wir nehmen den kurzen Fußweg, der zum Hauptportal des Gebäudes führt, in dem das Amt für Anhörung untergebracht ist. Auch dieser Eingang wird von Soldaten bewacht, aber wir gehen an ihnen vorbei, über den kalten Betonfußboden, der noch immer kahl und unbeheizt ist, in den Raum, in dem wir bei der Anhörung zugesehen haben.
    »Willkommen, Jungs«, begrüßt uns der Bürgermeister und wendet sich vom Spiegel ab.
    Hinter ihm, in der Anhörungsarena, steht Mr Hammar, der sich eine Gummischürze umgebunden hat. Vor ihm sitzt ein nackter Mann und schreit.
    Der Bürgermeister drückt auf einen Knopf, das Schreien erstirbt auf der Stelle.
    »Wie ich höre, seid ihr mit der Kennzeichnung fertig?«, fragt er gut gelaunt.
    »Soweit ich weiß, ja«, antworte ich.
    »Wer ist das?«, fragt Davy und zeigt auf den Mann.
    »Der Sohn der Terroristin, die sich selbst in die Luft gesprengt hat«, sagt der Bürgermeister. »Er ist nicht weggelaufen, als seine Mutter starb, der Dummkopf. Nun schauen wir mal, was er weiß.«
    Davy schürzt die Lippen. »Aber wenn er nicht weggelaufen ist, als sie …«
    »Ihr zwei habt Großartiges für mich geleistet«, unterbricht ihn der Bürgermeister und verschränkt die Hände hinter dem Rücken. »Ich bin sehr zufrieden.«
    Davy lächelt und sein Lärm glüht rosarot.
    »Doch jetzt hat die Bedrohung konkrete Formen angenommen«, fährt der Bürgermeister fort. »Eine der Terroristinnen, die bei dem Angriff auf das Gefängnis gefasst wurden, hat uns endlich etwas Brauchbares erzählt.« Er blickt wieder durch den Spiegel. Mr Hammar verdeckt die Sicht auf den Mann, aber dessen nackte Füße krampfen sich zusammen bei dem, was er ihm antut. »Bevor sie unglücklicherweise verstarb, konnte sie uns gerade noch mitteilen, dass uns, wenn die Rebellen nach dem gleichen Schema wie bei den früheren Bombenangriffen verfahren, in den nächsten

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