Das dunkle Paradies
»Collins hat nur die Tür aufgemacht, reingeschaut, dann hat er mich wieder eingeschlossen. Es war, als ob sie es schon wüssten.«
»Ja«, sage ich, den Mund in mein Kissen gepresst. »Es war wirklich so, als ob sie es schon wüssten.«
»Ich habe mit all dem nichts zu tun, Todd«, versichert er, denn er liest meinen Lärm. »Ich schwöre es dir. Diesem Mann würde ich nie helfen.«
»Lass mich einfach in Ruhe«, bitte ich ihn.
Und das tut er.
Aber ich schlafe nicht.
Ich glühe vor Zorn.
Ich glühe vor Zorn, weil ich so dumm war und blindlings in die Falle getappt bin, weil es so einfach für sie war, mich mit ihr unter Druck zu setzen. Ich glühe vor Scham, weil ich geweint habe, als sie mich geschlagen haben (halt die Klappe). Ich brenne vor Schmerz, weil ich wieder von ihr getrennt bin, brenne vor Schmerz wegen des Versprechens, das sie mir gegeben hat, und weil ich nicht weiß, was nun aus ihr wird.
Was sie mit mir machen, ist mir völlig egal.
Endlich geht die Sonne auf und ich erfahre meine Strafe.
»Beweg deinen Arsch, Schweinebacke.«
»Halt die Klappe, Davy.«
Unsere neue Arbeit besteht darin, die Spackle in Gruppen arbeiten zu lassen, sie müssen die Fundamente für neue Bauten auf dem Klostergelände ausheben, neue Bauten, in denen die Spackle im bevorstehenden Winter untergebracht werden sollen.
Meine Strafe besteht darin, dass ich unten in den Baugruben zusammen mit ihnen schaufeln muss.
Meine Strafe besteht darin, dass Davy allein der Boss ist. Meine Strafe besteht darin, dass er eine neue Peitsche hat.
»Mach schon«, sagt er und schlägt mir mit der Peitsche auf die Schulter. »An die Arbeit!«
Ich drehe mich um, alles an mir ist wund und tut weh. »Wenn du mich noch einmal schlägst, drehe ich dir deinen scheißverdammten Hals um.«
Er grinst übers ganze Gesicht, sein Lärm ist ein einziger Jubelschrei. »Na los, versuch’s doch, Mr Hewitt.«
Und er lacht.
Ich nehme meine Schaufel in die Hand. Die Spackle, die in meiner Gruppe arbeiten, starren mich an. Ich habe nicht geschlafen, meine Finger sind klamm in der kalten Morgensonne, und ich kann nicht anders, ich schreie sie an: »Los, an die Arbeit!«
Sie machen ein paar schnalzende Geräusche und fangen an, den Boden mit ihren Händen aufzugraben.
Alle bis auf einen, der mich ein paar Augenblicke länger mustert als die anderen.
Ich fixiere ihn so lange, bis er aufhört. Mein Lärm kocht und schlägt ihm glühend rot entgegen. Er nimmt es gelassen und schweigend hin, sein Atem bildet kleine Wölkchen in der Luft, sein Blick fordert mich heraus. Er hält den Arm hoch, damit ich sein Handgelenk sehen kann, als ob ich nicht ohnehin wüsste, wer er ist, dann geht er wieder an die Arbeit, gräbt die froststarre Erde auf, so langsam, wie’s nur geht.
1017 ist der Einzige, der keine Angst vor uns hat.
Ich packe meine Schaufel und stoße sie in den Boden.
»Macht’s Spaß?«, ruft Davy.
In meinem Lärm lasse ich ihn das Hässlichste hören, das mir einfällt.
»Oh, meine Mutter ist schon lange tot, genau wie deine«, erwidert er, dann lacht er. »Ich frage mich, ob deine Mutter, als sie noch am Leben war, genauso viel geredet hat, wie sie in das kleine Buch geschrieben hat.«
Ich richte mich auf, mein Lärm wird blutrot. »Davy …«
»Sie hat doch seitenlang gelabert.«
»Eines Tages, Davy«, sage ich, und mein Lärm schäumt so sehr, dass ich schon die Luft flirren sehe, »eines Tages werde ich dich …«
»Was wirst du eines Tages, mein lieber Junge?«, fragt der Bürgermeister, der gerade auf Morpeth durchs Tor geritten kommt. »Man hört schon von der Straße aus, wie ihr beide euch streitet.« Er wirft Davy einen strengen Blick zu. »Streiten ist etwas anderes als arbeiten.«
»Oh, ich sorge schon dafür, dass sie arbeiten, Pa«, antwortet Davy und nickt in Richtung Felder.
Und das stimmt. Die Spackle und ich arbeiten in Gruppen von zehn oder zwanzig, die über das gesamte ummauerte Gebiet verteilt sind, sie entfernen die Steine von den niedrigen Steinmauern zwischen den Feldern und stechen das Gras ab. Andere tragen den ausgehobenen Boden auf den Feldern zu Haufen zusammen, und meine Gruppe, die nahe am Eingang arbeitet, hat schon einen Teil der Gräben für die Fundamente ausgehoben. Ich habe eine Schaufel. Die Spackle müssen ihre Hände benutzen.
»Nicht schlecht«, sagt der Bürgermeister. »Das ist wirklich gar nicht schlecht.«
Davys Lärm klingt so erfreut, dass es schon beinahe peinlich ist. Keiner
Weitere Kostenlose Bücher