Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
war von ihm abgefallen.
»Hat Ihr Großvater – Volker Sternberg – die Firma gegründet?«, fragte Georg Dengler.
»Nein. Die Fabrik ist schon seit Generationen im Familienbesitz. War früher aber kleiner. Großvater hat sie zu dem gemacht, was sie heute darstellt. Auch er war ein Erfinder. Fing an mit Schrauben und Dübeln. Und er hat Ilona und mich systematisch zu seinen Nachfolgern aufgebaut. Unser Vater war ein Ausfall – für die Firma, meine ich. Ich dagegen war immer dabei, wenn Großvater etwas Neues ausprobiert hat. Und Ilona durfte studieren.«
Für einen Augenblick verfinsterte sich sein Gesicht.
»Betriebswirtschaft«, sagte er, »immerhin. Sie macht das ganze Kaufmännische. Erklärt mir immer, warum meine Erfindungen zu teuer sind, es keinen Markt dafür gibt und so ein Mist. Aber manchmal greift sie eine Idee auf. Ich weiß vorher nie, welche.«
Und dann: »Ich verstehe mich ja eher als Künstler.«
Dengler sah ihn überrascht an.
»Kommen Sie mit!« Sternberg sprang auf und durchquerte zwei weitere Räume. Dengler folgte ihm.
Der Saal, in den Sternberg ihn nun führte, war vollkommen leer. An den weiß getünchten Wänden waren jedoch merkwürdige Skulpturen montiert, manche klein, kaum einen Zentimeter groß, andere mehr als handgroß, alle von unterschiedlicher Gestalt und in den verschiedensten Farben.
»Kunst«, sagte Sternberg, »Schraub-Art. Gibt es nur hier.« Er fasste eine Skulptur an und drehte sie aus der Wand. Dengler sah, dass eine Schraube aus der Figur ragte.
»Schrauben und Kunst sind näher verwandt, als manche denken. Doch ich gehe noch einen Schritt weiter. Die Schraube ist in das Kunstwerk integriert«, sagte Sternberg. »Ich suche noch eine Galerie für diese Art der Kunst. Sie kennen wohl keine?«
In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
»Ihre Unterlagen sind fertig«, sagte Sternberg, als er den Hörer auflegte.
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8. Dengler startete den Wagen
Dengler startete den Wagen und verließ den Parkplatz der Firma Sternberg Befestigungssysteme.
Der Firmenwagen, den die Sternbergs ihm zur Verfügung stellten, war ein brandneuer schwarzer Audi A6. Automatik. Navigationssystem. Ilona Sternbergs Sekretärin, Frau Howling, hatte ihm die Wagenpapiere und die Schlüssel ausgehändigt – und dazu einen weißen DIN-A-4-Umschlag mit aufgedrucktem Firmenlogo gereicht. Dengler kontrollierte den Inhalt. Eine Kopie des Vertrages von 1947. Die Adresse des Notars. Eine Lageskizze des Schlosshotels. Und zu seiner großen Freude ein Barscheck der LBBW-Bank über 680 Euro.
Als er im Ort eine Filiale der LBBW-Bank entdeckte, hielt er
an und löste den Scheck ein. 480 Euro zahlte er auf sein Konto ein, und 200 Euro steckte er in seinen Geldbeutel.
Auf dem Parkplatz vor der Bank las er den Vertrag noch einmal gründlich. Dann zog er sein Notizbuch aus der Tasche. Auf ein leeres Blatt schrieb er die Namen, die er bisher kannte.
Volker Sternberg
Großvater, verschenkt Hotel
Robert Sternberg
Enkel, will wissen, warum, und das Hotel zurück
Ilona Sternberg
Enkelin, ebenso
Er überlegte. Im Grunde wusste er mehr. Er ergänzte den Text.
Volker Sternberg
Großvater, verstorben, verschenkt Hotel
Sohn Sternberg
Vater, spricht seit Jahren kein Wort
Schwiegertochter Sternberg
Mutter, soeben verstorben, kein Wort zu ihren Kindern über das Hotel
Robert Sternberg
Enkel, will wissen, warum, und will das Hotel zurück
Ilona Sternberg
Enkelin, ebenso
Nicht nur die Mutter, auch der Großvater schwieg gegenüber seinen Enkeln über die Transaktion. Warum?
Dann schrieb er auf eine neue Seite:
Kurt Roth
erhält ein Hotel geschenkt
Albert Roth
unterschreibt den Vertrag
Er prüfte den Vertrag noch einmal und kontrollierte das Geburtsdatum von Kurt Roth. 1. Februar 1932. Er war fünfzehn Jahre alt, als das Hotel auf ihn überschrieben wurde. Nicht volljährig. Dies könnte erklären, warum ein Albert Roth den Vertrag unterschrieben hatte.
Er ergänzte den Eintrag.
Albert Roth
unterschreibt den Vertrag, Verwandter von Kurt?
Dann klappte er das Notizbuch zu und studierte die Wegbeschreibung zum Schlosshotel.
* * *
Das Schlosshotel lag auf dem Berg neben einer alten Ruine. Auf dem Parkplatz stand nur ein Wagen, ein alter Renault.
Das Hotel war ein dreistöckiger Bau und strahlte eine ruhige Solidität aus. Doch der Putz war offensichtlich schon ewig nicht mehr erneuert worden. Die Eingangstür bestand aus schwerem Holz, das durch Schnitzereien verziert war, die aber bereits stumpf und
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