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Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Titel: Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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verwittert wirkten.
    Neben der Tür hing in einem grün gestrichenen Schaukasten die Speisekarte. Dengler sah, dass man im Schlosshotel eine Hühnersuppe für zwei Euro bekam. Das Textblatt der Speisekarte war auf der Schreibmaschine geschrieben worden und mit vier Heftzwecken befestigt, das Papier wirkte an den Rändern bereits etwas vergilbt, und da der Heftzwecken unten rechts abgesprungen war, hatte das Papier sich schon teilweise zusammengerollt.
    Doch Dengler konnte erkennen, was unten auf der Karte stand: Schlosshotel Gündlingen, Inhaber: Kurt Roth. Von der nachfolgenden Telefonnummer war nur noch die Vorwahl zu sehen.
    Das Schlosshotel hat also seit 1947 seinen Besitzer nicht gewechselt. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein
    Dengler trat ein.
    Der Gastraum war groß und freundlich. Drei Reihen mit dunklen Holztischen. Passende Stühle. Weiße Tischtücher. Großes Fenster mit Blick auf den Ort. Es gab einen offenen Kamin, in dem ein Feuer prasselte. Nur ein Gast hielt sich im Lokal auf, ein jüngerer Mann in Arbeitskleidung, der vor dem Fenster saß und eine Suppe löffelte.
    Hinter der Theke stand ein Mann in einer blauen Strickjacke und spülte Biergläser. Eine junge Frau, offensichtlich die Bedienung, saß an dem runden Tisch neben der Tür und strickte an einem Pullover. Neben ihr saß ein alter Mann, der eine Schiebermütze trug. Er hielt mit beiden Händen ein Glas Bier fest, die dazu gehörige Flasche stand in einem Wasserbad, aus dem leichter Dampf stieg. Als Dengler sich gesetzt hatte, legte die Frau ihr Strickzeug neben sich, stand auf und kam auf ihn zu.
    »Haben Sie noch ein Zimmer frei?«, fragte er.
    Die junge Frau sah ihn verblüfft an. Dann lachte sie.
    »Wir vermieten seit Jahren keine Zimmer mehr. Bei uns bekommen Sie nur zu essen und zu trinken.«
    »Gut. Dann nehme ich einen doppelten Espresso, und außerdem würde ich gerne mit dem Wirt reden. Mit Herrn Kurt Roth.«
    Sie blickte verlegen in Richtung Theke und zögerte einen Augenblick.
    »Espresso machen wir leider nicht, aber eine Tasse Kaffee bringe ich Ihnen gerne«, sagte sie dann.
    »Einverstanden.«
    Sie ging hinter die Theke, nahm eine Tasse aus dem Hängeschrank hinter der Zapfanlage und goss aus einer großen Glaskanne Kaffee hinein.
    Dengler hörte, wie sie zu dem Mann hinter der Theke sprach.
    »Der Gast möchte mit dir sprechen, Papa.«
    Dann brachte sie Dengler den Kaffee.
    Der Mann hinter der Theke wischte sich die Hände trocken und kam langsam zu Dengler hinüber.
    Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht und war kräftig gebaut. Sein volles weißes Haar hatte er sorgfältig nach hinten gekämmt. Er grüßte mit einem Nicken und setzte sich Dengler gegenüber. Dengler nahm die Kopie des Vertrages aus dem Umschlag und legte sie vor sich auf den Tisch.
    »Sie sind Kurt Roth?«
    »Wenn Sie ein Vertreter sind, muss ich Sie enttäuschen: Wir haben alles, was wir brauchen.«
    Dengler lachte.
    »Nein, ich bin kein Vertreter. Ich bin Ermittler. Und ich beschäftige mich mit diesem Vertrag.«
    Bevor er das Dokument über den Tisch schob, fragte Dengler: »Sie sind doch Kurt Roth?«
    Der Mann nickte, und Dengler schob ihm die Kopie über den Tisch.
    Kurt Roth nahm das Papier in die Hand und betrachtete es lange. Er sah nur auf die erste Seite. Blätterte nicht um.
    »Wo haben Sie das her?«, fragte er dann.
    Dengler sah, die Augen des Mannes waren weit geöffnet. Das Blatt in seiner Hand zitterte.
    »Von meinen Klienten«, sagte Georg Dengler, »sie interessieren sich für die näheren Umstände beim Zustandekommen dieses Vertrages. Sie können mir sicherlich behilflich sein.«
    Kurt Roths Gesicht war weiß geworden. Langsam öffnete er den Mund, als wolle er etwas sagen, aber er atmete nur schwer. Beim Ausatmen machte er ein pfeifendes Geräusch. Dengler sah, wie sich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Die Faust verkrampfte sich und zerknüllte die Vertragskopie.
    »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Georg Dengler.
    Sein Gegenüber stand unter Schock. Noch immer stand sein Mund offen.
    Ein Schlaganfall. Er hat einen Schlaganfall bekommen, dachte Dengler und nahm Roths Hand.
    Der Mann rührte sich nicht.
    »Ein Glas Wasser, schnell!«, rief Dengler der jungen Frau zu, die sich wieder an den runden Tisch gesetzt hatte und an dem Pullover weiterstrickte.
    Sie sprang auf, sah zu ihrem Vater, lief hinter die Theke und kam mit einem Glas Wasser zurück.
    Liebevoll nahm sie den Kopf ihres Vaters in beide Hände. Kurt Roth

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