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Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Titel: Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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und Karlsruhe. Es war ein Knotenpunkt der Eisenbahn, hier kreuzten sich eine Nord-Süd- und eine West-Ost-Linie. Die Schienen, die er am Ende der Wiese sah, liefen in Richtung der untergehenden Sonne, das musste also die West-Ost-Linie sein. Er musste sich westwärts halten. Er würde dann auf einen Fluss namens Rhein stoßen. Wenn es ihm gelang, den Rhein zu überqueren, würde er von dort aus 100 Kilometer südlich auf amerikanische Einheiten treffen oder 100 Kilometer in Richtung Westen in der Nähe einer Stadt namens Saarbrücken seine Kameraden erreichen.
    Jedoch: Die Krauts würden ihn genau auf dieser Bahnstrecke suchen. Oder in deren Nähe. Er würde sich nachts entlang der Schienen bewegen und zu Gott beten, dass die Deutschen ihn nicht erwischen. Es war ein gefährlicher Weg. Die Wehrmacht transportierte nachts Truppen und Nachschub. Vielleicht würde es Flüchtlingsbewegungen geben. Wie lange würde er unterwegs sein? Eine Woche? Oder zwei? Vielleicht länger. In dieser Zeit wären die Bodentruppen aber eventuell schon hier.
    Vielleicht wäre es besser, sich hier in der Nähe zu verstecken? Im Wald? Da gab es so kurz nach dem Winter jedoch nichts zu essen. Vielleicht würde er eine Scheune finden. Er würde schon irgendetwas Essbares auftreiben. Dies schien ihm der bessere Plan.
    Blackmore prüfte seine Waffe. Er hatte einen Browning-Revolver und fünfzig Schuss bei sich. Vielleicht würde er sogar etwas jagen können? Aber diese Idee verwarf er sofort wieder. Er wollte die Deutschen nicht durch Schussgeräusche auf sich aufmerksam machen.
    Vorsichtig schlich er sich im Wald am Rand der Wiese entlang.

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    28. Kurz nach zehn
    Kurz nach zehn parkte Dengler vor dem Gündlinger Altersheim. An der Pforte erkundigte er sich nach Hedwig Weisskopf und wurde in einen hellen Lichthof geführt. Dort gruppierten sich drei mit grünem Stoff bespannte Sessel um einen runden Tisch. Einige hochgewachsene Pflanzen in weißen Kübeln verliehen dem Ambiente den Charakter eines tropischen Gewächshauses. Dengler nahm Platz und wartete.
    Hedwig Weisskopf war eine ältere vornehme Dame, bekleidet mit einer beigen, steif gebügelten Bluse, an die sie eine Gemme geheftet hatte. Sie trug einen Faltenrock, und durch eine große Brille sahen ihn zwei große Augen neugierig an.
    »Sind Sie von der Zeitung? Ein Journalist?«, fragte sie, nachdem sie sich gesetzt und den Faltenrock glatt gestrichen hatte.
    »Ja«, sagte Dengler, »mein Name ist Gerhard Beil. Ich schreibe an einer Reportage über das Kriegsende in Bruchsal und Umgebung.«
    »Ach Gott«, sagte sie, »das ist ja schon so lange her.«
    Sie schlug die Hände zusammen.
    »Ja«, sagte Dengler, »erinnern Sie sich noch an diese Zeit?« Sie blickte an ihm vorbei und dachte nach. Dann wandte sie sich wieder Dengler zu und nickte.
    »Ich war damals ein junges Ding«, sagte sie, »und auch hübsch.«
    Sie lächelte.
    »Erinnern Sie sich, was Sie taten, als die Amerikaner kamen?«
    »Die Amerikaner?«
    Sie blickte ihn fragend an.
    Dann sagte sie: »Die Amerikaner lagen mit ihren Panzern im Forster Wald. Aber sie kamen nicht in die Stadt. Auch nicht nach Gündlingen. Sie ließen den Franzosen den Vortritt.«
    »Den Franzosen?«
    Sie nickte.
    Er sagte: »Nach meinen Informationen kamen die Franzosen vom Schwarzwald her über das Schlosshotel hinunter nach Gündlingen.«
    Sie schüttelte energisch den Kopf und mit entschiedener Stimme widersprach sie Dengler: »Nein, sie kamen von Phillipsburg. Die Amerikaner marschierten bis zum Norden von Bruchsal. Sie lagen auch vor Gündlingen, direkt am Ortsrand. Dann warteten sie auf die Franzosen. Die Franzosen rückten dann in den Ort ein. Erst normale Franzosen, wissen Sie?«
    Dengler sah sie an.
    Sie sagte: »Später kamen dann die Marokkaner und Algerier. Da war es nicht immer leicht.«
    Sie schwieg eine Weile.
    »Für uns Mädchen«, sagte sie dann und sah zu Boden.
    »Sie kamen also nicht über das Schlosshotel? Wissen Sie, wem das Hotel damals gehörte?«
    »Ja, natürlich. Volker Sternberg. Dem gehörte das Schlosshotel.«
    »Kannten Sie ihn?«
    »Ja sicher, jeder kannte ihn in Gündlingen.«
    »Warum?«
    Dengler erschien es, als würde sich die alte Frau versteifen. Sie saß ihm nun gerade gegenüber in dem grün bespannten Sessel. Sie blickte in seine Richtung, aber wieder schien es Dengler, als wären ihre Gedanken weit weg.
    »Kannten Sie ihn gut?«, fragte er.
    »Ach, das ist alles schon lange her.«
    »Kennen Sie auch die

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