Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
Langsam öffnete er sie und begann zu lesen.
Dengler wartete. Er sah, wie Langenstein hin und wieder die Stirn runzelte, eine Seite vor- und wieder zurückblätterte, den Kopf schüttelte und schließlich die Akte zuschlug.
»Es gab eine Ermittlungsgruppe. 1947, zwei Jahre nach dem Krieg«, sagte er, »aber ich kann Ihnen die Akten nicht geben.«
»Wenn es eine Ermittlungsgruppe gab, dann gab es auch einen verantwortlichen Kollegen.«
Langenstein öffnete den Aktendeckel wieder und blätterte in den Seiten.
»Der Kollege Altmeier. Hans Altmeier. Er führte damals die Ermittlungen.«
»Ich hoffe, er lebt noch.«
Langenstein lachte.
»Er ist der rüstigste Rentner, den ich kenne. Bei jeder Weihnachtsfeier trägt er selbst verfasste Gedichte vor.«
Er schrieb etwas auf ein Stück Papier und gab es Dengler.
»Hier haben Sie seine Adresse und seine Telefonnummer.«
Dengler bedankte sich und ging.
Er nahm den nächsten Zug zurück nach Stuttgart.
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58. Früh am Morgen
Früh am Morgen rief er die Nummer an, die Hauptkommissar Langenstein ihm aufgeschrieben hatte. Hans Altmeier nahm sofort ab, als habe er auf diesen Anruf gewartet. Dengler wunderte sich über die kräftige Stimme. Der Mann musste über achtzig sein, sprach aber ins Telefon, als wolle er eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei kommandieren. Er war bereit, sie sofort zu empfangen.
Dengler und Olga nahmen den Zug nach Bruchsal. Als sie mit dem Taxi vor Altmeiers Haus in einer kleinen Wohnstraße vorfuhren, stand er wartend an der Haustüre und winkte ihnen zu. Er begrüßte Olga mit einem Handkuss und bat sie dann beide in sein Wohnzimmer.
Hans Altmeier war ein hochgewachsener Mann. Er hielt sich aufrecht, zu aufrecht, fand Dengler, schon fast wie jemand, der sein ganzes Leben im Militär verbracht hat. Er hatte dünnes silbernes Haar, das er sorgfältig nach hinten gekämmt hatte. Er trug eine Brille aus einem modernen silbernen Material, und versteckt im Ohr erkannte Dengler ein modernes, kaum sichtbares Hörgerät.
Dieser Mann muss sehr einsam sein, dachte Dengler. Wahrscheinlich bekommt er selten Besuch.
Altmeiers Wohnzimmer wurde von einer riesigen Schrankwand aus dunklem Holz beherrscht, die drei der vier Wände vom Boden bis zur Decke ausfüllte. Einige Bücher standen in einem Regal. Dengler erkannte eine Reihe mit alten Titeln zur polizeilichen Führungsarbeit, Bücher von Kirst, eines von Ernst Jünger sowie die Memoiren von Henry Kissinger, eine Urkunde für sportliche Leistungen, fünf Anglerbücher und eine Armee von Zinnsoldaten, die sich in zweien der Regale eine Schlacht lieferten. An der freien Wand neben dem Fenster tickte eine Kuckucksuhr. Auf dem Tisch standen auf drei Häkeluntersetzern drei geblümte Tassen und eine Kanne, aus der Kaffeeduft aufstieg.
»Guter alter Filterkaffee«, sagte Altmeier und bat mit einer Handbewegung, Platz zu nehmen. »Ich hoffe, Sie mögen so etwas Altmodisches.«
»Trinke ich für mein Leben gern.« Olga strahlte den alten Mann an und setzte sich. Dengler sah sie irritiert an und setzte sich vorsichtig neben sie auf die Couch.
»Ich suche einen amerikanischen Piloten«, eröffnete Dengler das Gespräch, »der am 1. März 1945 über Bruchsal abgeschossen wurde. Sie leiteten nach dem Krieg die Ermittlungsgruppe, die sich mit dem Fall beschäftigte.«
Dengler sah, wie sich die Stirn Altmeiers zusammenzog.
Er sieht aus, als wäre er enttäuscht, dass ich gerade nach diesem Fall frage.
»Da müssen Sie ja noch sehr jung gewesen sein«, warf Olga ein und lächelte Altmeier an.
Das Gesicht des alten Mannes entspannte sich wieder. Er schenkte ihnen Kaffee ein.
»Ja, da war ich noch sehr jung. Darf ich fragen, was Sie an dieser Sache interessiert?«
»Ich suche den Piloten im Auftrage seines Sohnes.«
Altmeier setzte sich. Er rieb sich mit der rechten Hand sein Kinn. Er blickte zu Olga.
»Ja, ich war sehr jung. Froh, den Krieg ... alles lebend überstanden zu haben.«
»Ihr erster Fall?«, fragte Olga.
»Ja, junge Frau, mein erster Fall.«
»Und? Haben Sie ihn gelöst?«
»Leider nein. Wir haben nichts erfahren, was das Schicksal des Kerls aufklären konnte. In den Abschlussbericht schrieben wir, dass möglicherweise sein Fallschirm Feuer gefangen hat und er über dem brennenden Bruchsal abgestürzt ist.«
»Gab es dafür Indizien? Reste des abgebrannten Schirms?«,
fragte Dengler. »Hat jemand ein Gutachten angefertigt?«
Der alte Mann lachte.
»Junger Mann, was glauben
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