Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
muss zurück. Zum Abendessen will ich mich noch umziehen. Würden Sie mir bitte einen Wagen rufen.«
Das Gespräch war vorbei. Dengler seufzte und rief über das Handy die Taxizentrale an.
Ich werde in diesem Ort nichts über Juniors Vater erfahren
Dengler zahlte. Draußen fuhr das Taxi vor.
Sie brachten die alte Dame zum Wagen. Hedwig Weisskopf ging einige Schritte vor Olga und Georg. Der Chauffeur war ausgestiegen und hielt ihr die hintere Tür auf.
Als Hedwig Weisskopf den Wagen erreicht hatte und sich beugte, um einzusteigen, sagte Olga: »Sie haben Albert wohl sehr geliebt?«
Hedwig Weisskopf hielt inne und blickte zum Himmel hinauf. Ihre Schultern bebten. Als sie sich zu ihnen umdrehte, sahen sie, dass ihr Tränen über das Gesicht liefen.
»Ihr seid zu jung. Ihr wisst das alles nicht. Es war so eine schwere Zeit«, schluchzte sie. Dann stieg sie ein.
Der Fahrer schlug die Türe zu und setzte sich ans Steuer. Das Taxi fuhr an. Dengler schaute dem Wagen nach.
Nichts werde ich hier erfahren.
Nach fünfzehn Metern stoppte der beige Mercedes. Ein dunkler Renault, der dicht hinter dem Mercedes fuhr, musste scharf bremsen, die ruckartige Bewegung des Wagens bei Stillstand ließ erkennen, dass der Fahrer des Renaults infolge des Bremsvorgangs offensichtlich den Motor abgewürgt hatte.
Dengler erwartete, dass der Renaultfahrer, dessen Silhouette er nur unscharf durch die Heckscheibe wahrnehmen konnte, durch Hupen, Schimpfen oder wütende Gesten nun gegen dieses abrupte Bremsmanöver des Taxis protestieren würde. Doch nichts dergleichen geschah. Dann sah Georg, dass das hintere Wagenfenster des Taxis heruntergelassen wurde.
Er lief zu dem Wagen. Hedwig Weisskopf weinte immer noch. Sie hielt ein spitzenbesetztes Taschentuch vor Mund und Nase. Nun aber schaute sie zu Georg Dengler auf, ihre Augen waren völlig klar.
»Gehen Sie in die Wasenstraße«, sagte sie, »dort, wo früher das Spritzenhaus stand. Dort müssen Sie suchen. Graben Sie dort. Sie müssen dort suchen. Graben Sie ... Sie müssen nicht tief graben ...«
Sie blickte in Denglers fragendes Gesicht.
»Dort werden Sie ... Sie müssen dort graben«, sagte sie.
Sie schluchzte heftig auf und ließ das Fenster wieder hochfahren. Das Taxi fuhr los.
Dengler starrte ihm hinterher.
Hinter ihm startete der dunkle Renault den Motor.
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62. Was hat sie gesagt?
»Was hat sie gesagt?« Olga stand neben ihm.
»Ich weiß nicht... Sie hat gesagt, ich solle in die Wasenstraße gehen. In der Wasenstraße beim Spritzenhaus sollen wir suchen. Sie hat gesagt: Ich solle dort graben. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich sie richtig verstanden habe ...«
Olga legte ihre Jacke um die Schultern, als wäre ihr plötzlich kalt geworden.
Sie gingen zurück in Richtung des Marktcafés. Olga blickte sich um und studierte die Straßenschilder.
»Wasenstraße? Wo soll das sein?«
»Vermutlich irgendwo hier in der Ortsmitte ..«, sagte Dengler.
»Die Wasenstraße ist eine Querstraße, die vom Kirchplatz abgeht. An der Ecke dort liegt unser Pfarrbüro.«
Olga und Georg wandten sich um. Hinter ihnen stand ein junger Mann, schwarz gekleidet, mit einem weißen Kragen. In der rechten Hand trug er eine Einkaufstasche mit dem Aufdruck einer Schreibwarenhandlung.
»Kommen Sie, ich muss auch in diese Richtung. Mein Name ist Wilfried Jansen, ich bin der Pfarrer hier. Gündlingen gehört zu unserem Pfarrverband. Mit vielen anderen Orten. Bin erst seit einem halben Jahr hier, kenne längst noch nicht alle Ecken und Straßen, aber die Wasenstraße kann ich Ihnen zeigen.«
Olga und Dengler stellten sich vor. »Kommen Sie.«
Sie überquerten die Straße und betraten eine kleine Gasse, die leicht anstieg. Am oberen Ende sah Georg im Gegenlicht der Nachmittagssonne die Umrisse eines Kirchturms.
»Das hier ist ein kleiner Schleichweg, der direkt zum Kirchplatz führt. Von dort geht die Wasenstraße ab. Darf ich
fragen, wen oder was Sie in der Wasenstraße suchen? Unsere Pizzeria? Da gibt's einen sehr guten Italiener ... kann ich nur empfehlen.«
»Ich – wir, wir wollen zum Spritzenhaus.«
Der junge Geistliche blieb stehen. Dann lachte er.
»Zum Spritzenhaus? Sie meinen die Feuerwehr? Die befindet sich ganz woanders; die Freiwillige Feuerwehr Gündlingen hat ihre Gebäude am Sportplatz. Nicht weit vom Vereinsheim. Da müssen Sie wieder zurück zum Marktcafé und dann rechts ... genau die Richtung, aus der Sie eben gekommen sind. «
Dengler und Olga sahen sich an.
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