Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
komisches Gefühl, so für jeden sichtbar die Flure entlang- und Treppen hinaufzugehen, wo er zuvor immer nur wie ein ängstlicher Geist herumgeschlichen war. Als er sich dem länglichen Raum im dritten Stock näherte, in dem Ivarl für gewöhnlich Hof gehalten hatte, schwang, angestoßen von irgendeiner dritten Hand, die Tür für ihn auf. Edeard trat hindurch.
»Ich hab mich schon gefragt, wann Ihr mich endlich mit Eurem Besuch beehren würdet«, sagte Buate.
Dass er und Ivarl verwandt waren, stand völlig außer Frage. Edeard tippte auf einen gemeinsamen Vater. Buate besaß die gleiche breite Stirn wie Ivarl und dieselben auffallend grünen Augen.
Doch wo Ivarls kräftige Statur bereits begonnen hatte, aus dem Leim zu gehen, waren bei Buate nichts als Sehnen und Muskeln, so als hätte er sein ganzes Leben mit harter, körperlicher Arbeit verbracht. Außerdem war er jünger als sein Halbbruder, wahrscheinlich nicht älter als siebzig. Sein volles schwarzes Haar war zu adretten Ringellocken gedreht, die ihm bis über den Kragen fielen – eine Mode, die sich derzeit bei den Großen Familien im Norden der Stadt wachsender Beliebtheit erfreute. Ebenso wie die teure, goldbestickte Lederweste, die er aufgeknöpft gelassen hatte, damit das leuchtend rote Hemd zur Geltung kam. Der Schmuck, den er trug, war etwas dezenter als Ivarls, einige Goldringe und ein mit einem Diamanten besetzter Ohrring. Einem sehr großen Diamanten, wie Edeard bemerkte.
Buate saß hinter dem Schreibtisch und schaute seinem Besucher mit hochmütiger Miene entgegen. Anders als zu Ivarls Zeiten, der stets Wert daraufgelegt hatte, dass das Arbeitszimmer aufgeräumt war, lagen überall Dokumente und Gesetzesschriftrollen herum. Und wie um den Gegensatz wieder aufzuheben, saß Nanitte wie eh und je auf dem breiten, samtüberzogenen Sofa neben dem Schreibtisch; über ihrem hauchdünnen Rock trug sie ein eigentümliches, enges Korsett aus lauter Lederriemen und -schnüren, das ausgesprochen unbequem wirkte. Ausdruckslos sah sie Edeard an, ihr Geist perfekt abgeschirmt.
Mit seiner dritten Hand schloss Edeard die Tür. »Es wird mein letzter Besuch sein«, sagte er, Nanitte bewusst ignorierend – obwohl er vermeinte, einen Bluterguss auf ihrer Wange gesehen zu haben. Doch aufgrund des spärlichen Lichts war er sich dessen nicht sicher. »Jedenfalls diese Art von Besuch.«
Buate nahm einen kleinen silbernen Dolch vom Tisch und spielte damit herum. »Und was ist dies für ein Besuch, Waterwalker?«
»Ein freundlicher.«
»Tatsächlich? Welcher Art, glaubt Ihr, könnte eine Freundschaft, die uns verbindet, wohl sein?«
»Kurz.«
Buate lachte. »Jetzt verstehe ich, warum mein lieber Bruder Euch als Trainingsgegner so schätzte.«
»Ich kann mich nicht erinnern, Euch auf der Beerdigung gesehen zu haben.«
»Ich hatte in den Provinzen zu tun. Ich bin erst nach Makkathran zurückgekehrt, nachdem mich die traurige Nachricht erreichte.«
»Wisst Ihr, wer ihn getötet hat?«
»Ich dachte, er wäre ertrunken.«
»Nein. Er war schon tot, lange bevor er ins Wasser geworfen wurde. Folter pflegt solche Auswirkungen zu haben.«
»Das ist ja schrecklich. Nun, ich setze mein vollstes Vertrauen in Euch, dass Ihr die Verbrecher findet, die ihm das angetan haben.«
»Das ist einer der Gründe dafür, warum ich hier bin.«
»Ah. Wie interessant.«
»Habt Ihr schon gehört, dass Großmeister Finitan seine Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters bekanntgegeben hat?«
»Hier im Haus wurde heute Abend kaum über etwas anderes gesprochen.«
»Sein Hauptwahlkampfthema lautet: Verbannung.«
»Ja, ich hörte davon. Ich fürchte, er wird meine Stimme nicht bekommen. Zu viele meiner Freunde würden unter einer solchen Politik leiden.«
»Und darum werdet ihr sie von hier fortführen.«
Buates Ausdruck gleichgültiger Amüsiertheit geriet ins Wanken. »Verzeihung?«
»Ich will, dass Ihr sofort geht. Verlasst die Stadt. Nehmt Eure Kollegen und Eure Geschäftspartner und Leutnants und verschwindet. Auf diese Weise seid Ihr in der Lage, den größten Teil Eures Geldes zu behalten. Ihr könnt im Exil herrlich und in Freuden leben.«
»Unter normalen Umständen würde ich über ein solch absurdes Ansinnen nur lachen. Aber ich kann erkennen, dass es Euch tatsächlich ernst ist damit.«
»In den nächsten Monaten werden viele Menschen zu Schaden kommen. Es wird Tote geben. Ihr könnt das verhindern. Nehmt meinen Vorschlag als einen Appell an die bessere Seite in
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