Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
durchquerte. Goldenes Morgenlicht flutete durch das Kristall, eine leuchtende Barriere erschaffend, die sich über ihm leicht krümmte.
Während er weiterstapfte, fühlte er immer wieder Fernblicke über sich hinwegstreifen, doch sie waren schwach. Offenbar suchten seine Beobachter zu vermeiden, dass er sie bemerkte. Es gab auch einige wenige unverhohlene Musterungen seiner Person, begleitet von mentalem Gekicher.
Seine neue Gewohnheit hatte großes Interesse auf sich gezogen. In den ersten Wochen waren ihm sogar, nachdem er morgens die Konstablerkaserne verlassen hatte, Kinder nachgerannt. Doch da er sich in seiner Routine durch nichts hatte beirren lassen, hatte der Spott schon bald schon ein Ende gefunden. An den ersten Tagen nach seinem Sturz war er kaum in der Lage gewesen, eine halbe Meile durchzuhalten, bevor er mit hochrotem Gesicht und klopfendem Herzen anhalten musste. Inzwischen schaffte er mit Leichtigkeit fünfundvierzig Minuten.
Acena, die Hausdoktorin der Culverit-Familie, hatte sein tägliches Training ausdrücklich gelobt, hatte gar erklärt, sie wünschte, dass mehr Menschen ihre Gesundheit so ernst nähmen wie er. Andere in der Stadt hatten sich weniger freundlich geäußert. Edeard war es egal. Nie wieder würde er so schlecht in Form sein, dass er jemanden nur unter Mühen einen Turm in Eyrie hinaufjagen konnte.
Als er wieder auf Höhe des Arrival Canal war, wandte er sich über das Weideland, wo die Stallburschen die verbliebenen Milizpferde zu ihrem Morgengang ausführten, wieder in Richtung Stadt. Über die grüne und gelbe Plattenbrücke kehrte er nach Jeavons zurück, während der Distrikt allmählich zum Leben erwachte und die Händler und Kaufleute sich geschäftig auf ihr Tagwerk vorbereiteten. Wie immer machte er bei der Bäckerei an der Ecke der Pharo Street Halt, um sich frische Butterhörnchen zu kaufen, bevor er zur Wohnkaserne heimtrottete.
Wieder in seiner Maisonette angekommen, zog er sich aus und gab seine durchgeschwitzten Sachen den Ge-Schimpansen zum Waschen. Neben dem Becken befand sich eine flache, ovale Aussparung im Boden, die zu zwei Dritteln mit einer Kristallplatte versehen war. Edeard stellte sich hinein und gab dem Zimmer die Anweisung, das Wasser laufen zu lassen. Ein dichter Sprühregen ergoss sich aus Löchern in der Decke auf ihn. Er seifte sich ein und befahl dem Wasser, sich ein wenig abzukühlen, damit er sich abbrausen konnte.
Zurzeit zog er seine neuartige Miniregenschauer-Konstruktion einem Bad im herkömmlichen Wasserbassin vor. Es ging einfach schneller, und selbst nach seinem morgendlichen Dauerlauf fühlte er sich hinterher stets angenehm erfrischt. Nach dem, was Kristabel am vergangenen Abend dazu gesagt hatte, zog er es ernsthaft in Erwägung, die Kristallbodenplatte zu vergrößern, um Platz für zwei Personen zu schaffen. Zu zweit macht die Erfindung sicher viel Spaß.
Er traf Kristabel wie verabredet vor ihrem Haus. Gemeinsam fuhren sie mit einer familieneigenen Gondel quer durch die Stadt zum Ilongo-Distrikt, wo sie am North Curve Canal gegenüber dem Nordtor ausstiegen.
»Du scheinst dich wirklich zu freuen«, sagte Kristabel, als sie zu Fuß weitergingen. Sie trug ein einfaches azurblaues Kleid mit einem schlichten weißen Seidensaum und dazu einen breitkrempigen grünen Hut, um sich vor der wärmer werdenden Sonne zu schützen. Ihr volles Haar hing ihr in einem einzelnen, lockeren Zopf den Rücken hinab.
»Die Karawanenfamilien sind sehr gute alte Freunde«, erwiderte er, »und davon hab ich nun wirklich nicht viel.«
Vorsichtig suchten sie sich entlang der Fahrspuren, die sich durch High Moat schlängelten, ihren Weg zum Karawanenhof. An diesem Morgen herrschte reger Verkehr, Obst- und Gemüsekarren rumpelten an ihnen vorbei, Herden von Nutztieren wurden vorwärtsgetrieben, und unentwegt galoppierten Pferde die diversen Holzstallblöcke hinein und hinaus. Mehr als einmal mussten sie irgendwelchen Kutschen ausweichen, die den Stadtadel mit beträchtlichem Tempo in die Iguru-Ebene hinaustrugen.
»Wie rücksichtslos!«, regte Kristabel sich auf, als die dritte Kutsche, in einen leichten Zurückgezogenheitsschleier gehüllt, an ihnen vorbeipreschte. »Ich hab das Wappen erkannt, es gehört der Ivestol-Familie. Ich wette, es ist Corille, unterwegs zu ihrem Landhaus am Berg Korbal. Sie hat angefangen, sich heimlich mit Jamis zu treffen, dem dritten Sohn von Upral; du weißt schon, dem Oberhaupt der Familie Tarmorl. Und sie ist die
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