Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
unsichtbar für die über ihnen schwebenden Ge-Adler. Der getarnte Verfolger kam um die Ecke gehastet, nur um sich im gleichen Moment dem Trupp gegenüberzusehen, der sich dicht zusammendrängte, als führten sie irgendwas Gesetzwidriges im Schilde.
Schweigend hob Edeard einen Arm und zeigte auf den Verfolger. Sein Umhang begleitete die Geste mit einem eindrucksvollen Wirbeln. Jäh wurde die enge Gasse in leuchtend weißes Licht getaucht. Ein ungeheurer Knall hallte von den begrenzenden Mauern wider.
Edeards Miniaturblitz traf die Gestalt direkt in die Brust. Sie wurde nach hinten geschleudert und blieb niedergestreckt auf dem Boden liegen. Von einem Augenblick zum anderen erlosch ihre Tarnung.
»Gütige Herrin!« Dinlay schluckte.
Edeard ließ die Gestalt nicht aus den Augen; der Mann zuckte, unternahm jedoch keinen Versuch, sich zu erheben. Ein kurzer Fernsichtblick ergab, dass er noch lebte, seine Gedanken rasten in einem erregten Schlafmuster dahin. Der Blitz musste ihn bewusstlos geschlagen haben, obwohl sein Herz noch immer wild und leicht unregelmäßig pochte. Rauch stieg dort, wo es zu der Entladung gekommen war, von seiner dicken Lederjacke auf.
»Kümmer dich um die Ge-Adler«, sagte Edeard zu Kanseen, während er mit seiner dritten Hand die schlaffe Gestalt vom Boden hob und zum Trupp hinüberzog. Die Vögel hatten den Blitz mit Sicherheit bemerkt, aber daran ließ sich nichts ändern. Andererseits waren sie vermutlich von ihm geblendet worden. So oder so, ihre Besitzer hatten mit einiger Sicherheit keine Ahnung, was in der Gasse vorgefallen war.
Nachdem Kanseen die ohnehin verwirrten Genistars vollends durcheinandergebracht hatte, bat Edeard die Stadt, sie in die Abflusstunnel unter der Straße zu lassen. Der Trupp sank hinab und nahm seinen Gefangenen mit sich.
Sicher unten angekommen, untersuchte Edeard den Mann. Er war relativ unscheinbar, vielleicht Ende Vierzig, hatte dunkles, gelocktes Haar und einen kleinen, säuberlich getrimmten Bart. »Kennt den jemand?«, fragte Edeard in die Runde.
»Auf unserer Liste steht er jedenfalls nicht, wenn ich mich nicht täusche«, erwiderte Dinlay.
Macsen stieß ein gequältes Seufzen aus. »Ist auch schlecht möglich, schau dir doch mal seine Sachen an.«
Edeard inspizierte den Bewusstlosen etwas genauer. Die Kleidung war verhältnismäßig schlicht – schwarze Lederjacke über indigofarbenem Hemd und beigen Wildlederhosen. Knöchelhohe Stiefel mit dezent silbernen Ösen. Eine Kluft, die man überall in Makkathran tragen konnte, ohne allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Gleichwohl war Edeard mittlerweile vertraut genug mit den Schneidern der Stadt, um Qualität zu erkennen, wenn er sie sah. »Teuer«, stellte er fest.
»Auf jeden Fall nicht billig«, stimmte Macsen zu. »Man kann also davon ausgehen, dass er kein direktes Bandenmitglied ist.«
»Was dann? Einer aus den Familien?«
Ein säuerlicher Ausdruck trat in Macsens Züge. »Und wieder mal nichts Beweisbares. Es ist ja nicht so, dass der hier irgendwas ausspucken würde.«
»Was dann?«, fragte Boyd. »Komm schon, du weißt doch offenbar irgendwas.«
»Überlegt doch mal, wo wir hier stehen und wie wir hierhergekommen sind«, sagte Macsen mit jener ernsten Stimme, die man nur selten von ihm vernahm. »Und dieser Lichtblitz, mit dem du ihn aus den Latschen gehauen hast, Edeard, das war was Neues. Es gibt Gerüchte, dass deine Maisonette irgendwie … andersartig ist. Ein Sturz von einem Turm kann dich nicht töten. Kein Wunder, dass die Familien extrem interessiert an dir sind.«
»Die Familien können auch solche Blitze schleudern«, verteidigte sich Edeard. »Ich verfüge bloß über größere Kraft.«
»Nein, es ist mehr als nur Kraft. Kann irgendjemand Seelen sehen? Können sie mit der Stadt selbst sprechen? Niemand kann das. Du stehst über uns, Waterwalker. Haushoch über uns.«
»Na und?«, sagte Dinlay. »Wir haben immer gewusst, dass Edeard begabter ist als alle anderen zusammen.«
»Das hier geht weit hinaus über mentale Begabung.« Macsen sah Edeard ruhig an. »Du machst den Leuten Angst, Waterwalker. Sogar ich werde allmählich nervös wegen dir, und ich kenne dich besser als die meisten in dieser Stadt. Ich glaube zwar nicht, dass du deine Fähigkeiten missbrauchen wirst, aber … Jetzt mal ehrlich: Wer und was könnte dich noch aufhalten? Und genau deswegen ziehst du solche Aufmerksamkeit auf dich.«
»Ich würde niemals …« Edeard verstummte, wandte sich dann
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