Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
einfach hingehen und sie verhaften?«, maulte Boyd. »Meinst du nicht, dass siebenundzwanzig erst mal reichen? Und Buate muss immer noch jeden Tag vor dem Finanzgericht erscheinen.«
Edeard verzog das Gesicht. »Hundert wären mir lieber«, erwiderte er. Hundert wäre eine wirklich beeindruckende Zahl. Sie würde Makkathrans Einwohnern zeigen, welch große Fortschritte sie hinsichtlich der Banden machten. Dass es nicht nur Ausschlussermächtigungen und vollmundige Versprechen der Bürgermeisterkandidaten waren, mit denen sie den Banden auf den Pelz rückten.
Das Ziel war nicht, Verurteilungen zu erwirken; dafür fehlten ihnen, wie Edeard klar war, die Beweise. Doch eine weniger bekannte Klausel in den Haftparagraphen besagte, dass Gefangene ohne offizielle Anklageerhebung für zweiundzwanzig Tage festgehalten werden konnten, wenn ein Konstabler unter Eid aussagte, dass Gründe für den Verdacht einer Beteiligung der Gefangenen an gesetzeswidrigen Handlungen vorlagen. Durch diese zweiundzwanzig Tage sollten die Konstabler ausreichend Zeit erhalten, die nötigen Beweise zu sammeln und alle Betroffenen zu befragen.
Edeard hoffte darauf, dass das einfache Bandenfußvolk völlig aufgeschmissen war, wenn es ihm nur gelang, die komplette Anführerriege – oder zumindest so viele, wie er leidlich identifizieren konnte – von den Straßen zu holen und für einen halben Monat in Isolationshaft zu stecken. »Ein Körper ohne Kopf«, wie Macsen es auf den Punkt gebracht hatte.
Und wenn der Bandenwiderstand, wie Edeard hoffte, erst einmal bröckelte und die Menschen frei waren von der Tyrannei, wäre die Aussicht darauf, dass nach Ablauf der zweiundzwanzig Tage alles wieder beim Alten sein würde, ein überzeugendes Argument zugunsten Finitans und dessen Verbannungsvorschlag. Außerdem plante Finitan, sobald die Untersuchungshaft begann, im Großen Rat den Antrag auf Ausnahmegesetzesverordnungen vorzubringen, welche die Arrestzeit auf einen vollen Monat verlängerten. Vierundvierzig Tage, das hieße, sie bis nach der Wahl aus dem Verkehr zu ziehen. Ein bisschen hinterhältig, dachte Edeard, aber andererseits war man in Makkathran – hier ließ sich nichts über Nacht ändern.
Er setzte sich an seinen eigenen Tisch und sah die schmucken grauen Pappaktenordner entmutigt an. Ganz gleich, wie hart sie auch arbeiteten oder wie viele Leute er abstellte, der Papierkram wurde einfach nicht weniger.
»Hier ist noch mehr für dich zum Lesen«, sagte Dinlay.
Edeard blickte auf und sah, dass seine Freunde sich vor ihm zusammenscharten, ausnahmslos grinsend. Dinlay hielt ihm ein kleines rotes Büchlein hin.
»Ein Geschenk von uns allen«, sagte Kanseen.
Edeard nahm das Buch entgegen. Es war recht dünn. In kleinen Goldblattbuchstaben stand auf dem Deckel: Leitfaden für den verheirateten Herrn.
»Oh, danke schön«, sagte er, aufrichtig erfreut.
»Was steht da über den letzten Herrenabend vor der Hochzeit drin?«, wollte Macsen wissen. Ertappte sich selbst bei seinem Ausrutscher und warf Kanseen einen panischen Blick zu. »Äh, ich meine, Junggesellenabschied mit Freunden beiderlei Geschlechts.«
Sie ächzte nur müde.
Edeard blätterte durch die Seiten. »Es mag geboten sein, für einen guten Freund einen Abend vorzusehen, an dem er sich von seinen männlichen Bekannten verabschieden kann, in dem vollen Wissen, dass sein Junggesellendasein sich nun dem Ende zuneigt. Dieser Abend sollte die Grenzen des guten Geschmacks nicht überschreiten und nur an jene Orte führen, an die man innige Erinnerungen bewahrt hat und deren Freuden man zum letzten Male kostet.«
»Also ich hab keine Lust, schon wieder einen Abend im Olivan’s Eagle rumzuhängen«, protestierte Dinlay. »Ein solcher Abschied sollte was Besonderes sein.«
»Wir könnten im Rakas-Restaurant in Abad beginnen; das, in dem wir nach der Abschlussfeier waren«, schlug Kanseen vor.
Edeard wollte schon zustimmen, dann fiel ihm ein, dass Salrana an jenem Tag bei ihnen gewesen war. »Vielleicht lieber ein anderes«, sagte er.
»Es gibt da ein Theater in Fiacre, von dem ich gehört hab«, sagte Boyd atemlos. »Da ziehen die Tänzerinnen all ihre Sachen aus, während sie tanzen.«
»Ach ja?«, fragte Edeard.
Kanseen konzentrierte sich geflissentlich auf einen Punkt knapp oberhalb von Edeards Kopf, die Kiefer fest zusammengepresst.
»Das hat wohl kaum was mit dem Wiederauflebenlassen von innigen Erinnerungen zu tun«, entschied Edeard.
»Wir fangen an der
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