Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
Makkathran gekommen waren, hatten sie ein gewaltiges Innenamphitheater vorgefunden, dessen riesige Stufen so gerundet waren, dass Menschen unmöglich bequem darauf sitzen konnten. Die untere Hälfte der Einfriedung bestand aus hohen, geradlinigen Säulenfenstern. In einer für die Stadt untypischen Weise war ihr Kristallglas bunt und ließ große, in allen Farben des Regenbogens schillernde Strahlen erstehen, welche die Hauptbühne schnitten. Darüber hingen Tausende von langen weiß-violetten Stalaktiten von der kuppelförmigen Decke herab, sodass es aussah, als befände man sich in einer gigantischen Druse. Und wenn es Abend wurde, fluoreszierten die Spitzen in Makkathrans allgegenwärtigem orangenem Licht.
Schon vor langer Zeit hatten die Großen Familien ihre Ansprüche auf bestimmte Bereiche im Stufenrund geltend gemacht und Zimmermänner damit beauftragt, kunstvolle Sitzbänke zu bauen. Im Laufe der Zeit waren die Bänke mit durch Schnitzereien verzierte Paneele abgetrennt und so in lauschige Privatlogen verwandelt worden.
Zudem breiteten sie sich großzügig über die Stufenkanten hinweg aus, wie Edeard feststellte, als er sich auf dem Weg zur Culverit-Enklave hinter den Logen herzwängte, die den zweiten Rang dicht besiedelten. Tapfer behielt Kristabel, deren magentarotes Seidenkleid ein recht ausladendes Rockteil besaß, ihr Lächeln bei, während sie ihm folgte.
»Ich vergesse immer, wie eng es hier hinten ist«, beklagte sie sich.
»Wir können jederzeit über die Logen spazieren«, erwiderte Edeard vergnügt.
Ihr Lächeln schwand. Bis sie an der Culverit-Loge angekommen waren, hielt er vorsichtshalber den Mund.
Innen war die Loge mit Samt und Seide ausgeschlagen und besaß acht luxuriöse Lederpolstersessel. Drei Diener waren bereits da und bereiteten im holzvertäfelten abgetrennten Bereich im hinteren Teil der Loge Tabletts mit Weingläsern und Früchten vor. Einer von ihnen eilte herbei und nahm Kristabel ihre Seidenstola ab. Edeard übergab ihm seinen Mantel, einigermaßen verlegen wegen der goldgesäumten türkisenen Jacke und den rauchgrauen Hosen, die er trug. Dann stellte er fest, dass wirklich niemand in die Loge hineinschauen konnte, und er entspannte sich wieder.
»Das ist schon besser«, erklärte Kristabel, als sie sich mit einem erleichterten Seufzen auf einen der beiden mittleren Sessel niederließ.
Edeard setzte sich neben sie. Es war, als ob er einen Thron bestiegen hätte, einen Thron mit einer exzellenten Sicht über die unter ihnen liegenden Logen hinweg auf die absolut kreisrunde Bühne. Zurückgezogenheitsschleier schützten einige Logen vor Blicken, während sich ihre Besitzer, bevor die Aufführung begann, die neuesten Klatschgeschichten erzählten oder mit Leuten plauderten, mit denen sie dies lieber nicht tun sollten. Als er über das kleine Balkongeländer spähte, sah Edeard den altehrwürdigen Meister von Cobara mit einer blutjungen Konkubine im Schlepptau, wie sie sie sich durch die Lücke direkt unter ihm schoben.
»Wag es ja nicht«, sagte Kristabel.
»Was?«, fragte ein beleidigter Edeard.
»Mir so was jemals anzutun«, erwiderte sie. Ihr Zeigefinger deutete unauffällig auf die schlecht gemachte Perücke des Meisters.
Er beugte sich zu ihr, um sie zu küssen, merkte aber dann, dass die Sessel viel zu weit auseinander waren, sodass er aufstehen und zu ihr gehen musste, was die Spontaneität erheblich störte. »Du bist entschieden zu phantastisch im Bett, als dass ich mir jemals Gedanken um eine Mätresse machen könnte«, säuselte er ihr ins Ohr.
»Benimm dich.« Aber auf ihren Lippen lag ein Lächeln, das er nur allzu gut kannte.
»Du weißt doch«, sagte er, an ihrem Ohrläppchen knabbernd, »hier kann niemand hineinsehen.«
»Die Musiker schon.«
»Ah.« Edeard drehte sich um und richtete seinen Blick auf die Bühne. Schon erschienen die ersten Musiker mit ihren Instrumenten im Treppenloch in der Mitte der Bühne. »Spielverderber.« Mit seiner dritten Hand rückte er seinen Sessel nah an ihren und setzte sich wieder hin. »Fühlst du dich inzwischen besser?«
Sie nickte. »Ja.«
Noch nie zuvor hatte er Kristabel so wütend wie an diesem Nachmittag gesehen, als Bise verächtlich das Pergament ignoriert hatte, nachdem es am langen Tisch im Obersten Rat an jeden Meister zur Unterzeichnung weitergereicht worden war. Seine Weigerung, die Zustimmungserklärung zu unterschreiben, hatte selbst Owain entsetzt, aber Bise hatte sich gegen jeden Protest als
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