Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
beruhigte er sie grinsend. »Wir werden jetzt nur ein bisschen fliegen.«
»Fliegen?«
Sie rutschten den Tunnel hinunter, als dieser, wie es schien, um mehr als fünfundvierzig Grad kippte. Dann fielen sie. Salrana stieß einen langen Schrei aus.
»Es ist alles in Ordnung«, versicherte er ihr, laut brüllend. Er versuchte, ihr beruhigend über den Rücken zu streicheln, was nicht wirklich gut funktionierte, da ihre Novizinnenrobe zu flattern begann und Anstalten machte, sich um ihren Oberkörper zu wickeln. Also setzte er seine dritte Hand ein und zog das aufsässige Ding wieder herunter.
»Wir werden sterben!«, kreischte sie.
»Werden wir nicht. Ich benutze diese Tunnel immer auf diese Weise.«
Sie schloss die Augen und vergrub ihren Kopf an seiner Brust. Der Flug dauerte länger, als Edeard gewohnt war. Offenbar trug sie der Tunnel weit hinaus aus der Stadt. Wohin genau, das wusste er nicht.
Nach einer Weile beruhigte sich Salrana ein wenig und begann sich umzusehen. »Wir werden nicht sterben?«, keuchte sie.
»Wir werden nicht sterben.«
»Wo sind wir?«
»Ich bin nicht sicher. Außerhalb der Stadt inzwischen.«
Plötzlich beschrieb der Tunnel eine scharfe Kurve. Das hatte Edeard noch nie zuvor erlebt. Und irgendwie stürzten sie auch nicht mehr abwärts, sondern jagten nach oben. Einige Hundert Meter vor ihm endete der Tunnel in einer Glut aus scharlachrotem Licht.
»Festhalten«, rief er. Sekunden später waren sie durch und fanden sich in einem schlichten runden Raum mit rot leuchtenden Wänden wieder. Nirgendwo war ein Fenster. Rasch zog sich das Loch unter ihren Füßen irisartig zusammen, und sie standen in der Mitte des Bodens.
Salrana ließ ihn nicht los, obwohl sie sich neugierig umblickte. »Was jetzt?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht genau«, gab er zu. »Ich hab keine Ahnung, wo wir hier sind.«
In diesem Moment breitete sich ein schwarzer Kreis auf der Wand aus. Er verschwand und hinterließ eine nicht weniger schwarze Öffnung. Edeard und Salrana wechselten einen Blick und gingen hinüber. Ein bisschen von dem roten Licht sickerte hinein und ließ etwas erkennen, das wie Felswände aussah. Edeard streckte seine Fernsicht aus und stellte fest, dass sich da draußen tatsächlich eine Art Höhle befand.
Vorsichtig traten sie durch die Öffnung und auf einen sandigen Boden. Die Luft war trocken und verbraucht. Natürlich vermochte Edeards Fernsicht weit durch den Fels hindurchzublicken, doch die Höhle erstreckte sich bis in einige Entfernung. Nachdem sie ein paar Schritte gegangen waren, erlosch das rote Licht. Salrana wirbelte gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie sich die runde Öffnung hinter ihnen schloss. Sie stieß einen erschrockenen Schrei aus.
Edeard hob eine Hand und wandte den Funkentrick an, den Kristabel ihm damals am Strand gezeigt hatte. Eine Schicht weißer Flammen züngelte um seine Finger, tauchte die Höhle in ein flackerndes Licht.
»Aber das ist ja reiner Fels«, rief Salrana aus, als sie die Stelle, an der sich soeben das Loch geschlossen hatte, untersuchte.
»Ich hab nie behauptet, dass ich die Stadt begreife«, erwiderte Edeard. »Ich spreche nur mit ihr.«
»Wie?«, fragte sie. Ein starkes Aufflammen von Neugier schimmerte durch ihre verhüllten Gedanken.
»Naja …« Er zuckte die Schultern. »Ich tu’s einfach.«
»Genau wie damals«, sagte sie und erschauerte. »Du und ich allein versteckt in einem Loch, während draußen unser Leben zerstört wird.«
Erst jetzt merkte Edeard, wie müde er war. Die Erschöpfung traf ihn mit der Wucht eines Hammers. Es war nicht nur sein Körper, der von dem Gewaltritt zurück nach Makkathran vollkommen erledigt war, der emotionale Aufruhr, den er durchlitten hatte, zehrte noch viel mehr an seinen Kräften. Er wollte sich nur noch auf dem Boden zusammenrollen und schlafen – für sehr lange Zeit. Das Licht, das um seine Hand funkelte, begann zu verblassen.
»Edeard«, flüsterte seine Mutter. »Gib nicht auf. Nicht jetzt.«
Er sammelte sich einen Moment. »Also schön«, sagte er schließlich elend.
Salrana schaute ihn an.
»Komm«, sagte er. »Sehen wir mal, wohin die Höhle uns führt.«
Die Höhle war nicht überall so breit wie dort, wo sie sie betreten hatten. An einigen Stellen mussten sie sich mühsam voranquetschen und -schieben, während sie sich ihre Kleider am Felsgestein abschürften. Die Höhle brachte sie stetig nach oben, was Edeard zu denken gab. Nachdem er mit seiner Fernsicht die
Weitere Kostenlose Bücher