Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
an Edeard vorbei, während er die Albie Lane entlang in Richtung Flight Canal ging. Er hatte, um neugierige Fernblicke abzuwehren, einen Zurückgezogenheitsschleier um sich gelegt, so wie es alle Bürger Makkathrans bei Angelegenheiten, die sie als privat erachteten, taten. Der Effekt war eine schwächere Variante der Verstohlenheit.
Edeard hatte gerade die Eisenbrücke hinüber zum Haxpen-Distrikt erreicht, als seine Fernsicht zum dritten Mal über eine Gestalt hinwegstrich. Sie verfolgte ihn schon seit einiger Zeit, seinen offensichtlichen Wunsch, allein gelassen zu werden, ignorierend. Er konzentrierte sich auf sie und stellte fest, dass es …
»Salrana«, rief er aus.
Eilig kam sie auf ihn zugetrippelt, ihre Gedanken hell erstrahlend vor spitzbübischer Freude. Inzwischen, so musste er zugeben, war sie beinahe so groß wie er. Ihr knöchellanger dunkelgrauer Poncho flatterte, während sie näher kam, die große Kapuze war ins Gesicht gezogen. »Meine Güte, bist du vielleicht langsam«, rügte sie ihn kichernd. »Ich verfolge dich schon, seit du die Taverne verlassen hast. Wäre ich ein Meuchelmörder, wärst du jetzt bereits tot.« Sie schob die Kapuze zurück, erlaubte es ihrem kastanienbraunen Haar, frei über ihre Schultern zu wallen, und küsste ihn atemlos. »Weißt du, mit deinen langen Haaren hätte ich dich fast nicht erkannt. Die Stadtmode steht dir gut.«
Edeard grinste, sich des Umstands, dass sie sich immer noch fest an ihn drückte, mehr als bewusst. Er betrachtete ihr Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den wunderschönen dunkelbraunen Augen, die so ungemein groß waren und ihn schelmisch anfunkelten. Sie sah inzwischen absolut hinreißend aus, und genau darum versuchte er, ihr aus dem Wege zu gehen. Zwar sprachen sie immer noch täglich über Longtalk miteinander, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass der Prozess für ihn ein willkommener Vorwand gewesen war, sich nicht mit ihr zu treffen. Allein mit ihr auf dieser kalten, düsteren Straße zu stehen reichte aus, dass er sich wegen all der Mädchen, die er während der vergangenen Wochen getroffen hatte, regelrecht schämte. In Anbetracht dessen wäre selbst ein netter Nachmittag mit ihr die reinste Tortur.
Wieso eigentlich? , fragte er sich. Sie ist schön, und sie will mich, und es wäre der Himmel auf Erden, sie jeden Tag in meinem Bett und meinem Leben zu haben. Wir wären wirklich das perfekte Paar. Die einzige andere, die auch nur annähernd an sie herankommt, ist Kanseen.
Sein Zögern war aus einem idiotischen Pflichtbegriff geboren. Zumindest war das die Ausrede, die er vor sich selbst immer benutzte. Er fühlte sich wirklich als Beschützer, der auf sie aufpassen musste – und das war wohl kaum länger nötig. Es war ja nicht so, als stünden sie dieser Tage allein gegen die Welt. Vielleicht hatte er einfach nur Angst, die Dinge, wie sie waren, zu ändern; es hatte so viele Umbrüche gegeben, und sie war die einzige Konstante in seinem äußerst unsteten Leben. Wenngleich sie diese Rolle hassen würde. Sie war jung und voller Temperament, sie wollte etwas Spaß haben. Sie verdiente ein bisschen Glück. Und sie würden glücklich zusammen sein …
»Meine Güte, du freust dich wirklich, mich zu sehen, was?«, neckte sie ihn.
»Tut mir leid«, erwiderte er lächelnd und verbannte seine Gefühle unterhalb jeglicher möglichen Fernsichtwahrnehmungsschwelle. »Es ist fantastisch, dich zu sehen, aber es erinnert mich nur daran, was ich heute Abend noch alles zu tun hab.«
»Tatsächlich?«, fragte sie strahlend. Sie hakte sich bei ihm unter, und gemeinsam setzten sie sich in Richtung Eisenbrücke in Bewegung. »Du armer Kerl. Muss wirklich schrecklich sein, Kristiana und Ranalee in deinem Bett bei Laune halten zu müssen.«
Geschockt blieb Edeard stehen. »Woher in aller Welt weißt du denn das?«
Sie kicherte abermals, entzückt darüber, ihn aus der Fassung gebracht zu haben. »Oh, Edeard, die ganze Stadt weiß, wer sich für heute Nacht den Waterwalker reserviert hat. Kristiana hat’s in ungefähr der Hälfte von Makkathrans Kneipen herumposaunt. Und du weißt, wie verrückt diese Stadt auf Klatschgeschichten ist.«
»Ja«, entgegnete er zerknirscht. Dann, einfach weil er nicht anders konnte, fragte er: »Reden die Leute wirklich über mein Liebesleben?«
»Sie reden, singen, schreiben Bücher darüber. Ich glaube, sie planen sogar ein Theaterstück für das Neujahrsochsenbraten im Golden Park.«
»Halt die
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