Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
irgendeine Idee.« Er zuckte die Achseln. »Ja, Leute, so sieht’s aus.«
Macsen sah die anderen an, Betroffenheit schimmerte aus seinem abgeschirmten Geist. »Na schön, das war ehrlich genug. Scheiß auf Erleuchtung, Verstand. Aber ich bin bereit, mir anzusehen, was du uns zeigen willst.«
»Ich auch«, sagte Kanseen.
»Ja«, pflichte Dinlay ihm bei.
Boyd gab ein leises Glucksen von sich. »Bin dabei.«
»Danke«, sagte Edeard.
»Lernen wir dabei den Verstohlenheitstrick?«, fragte Boyd voller Eifer. »Ich hab immer gedacht, er wäre ein Stadtmythos.«
»Oh, das werdet ihr«, erwiderte Edeard. »Denn ihr werdet ihn brauchen. Alle bereit für die Gabe?«
»Ja!«, antwortete der Trupp im Chor.
Nachdem sie sich eine halbe Stunde auf der Straße in Verstohlenheit geübt hatten, führte Edeard sie in die Black-Horse-Taverne.
Sie waren bei Weitem nicht perfekt. Boyd entglitt immer wieder die Konzentration; Macsens Fernsicht war nicht halb so gut, wie er immer behauptete, was bedeutete, dass er die Gabe nicht in wirklich effektiver Weise mit seiner dritten Hand zusammenwirken lassen konnte. Kanseen und Dinlay hingegen erwiesen sich als überraschend versiert. Abgesehen von gelegentlichen Aussetzern von Boyd und Macsen, wenn ihre geisterhaften Gestalten wie aus dem Nichts aufflimmerten, blieben sie unsichtbar, zumindest für flüchtige Blicke. Die einzige Möglichkeit zu wissen, wo der jeweils andere war, bestand in einem winzigen direkten Longtalk, solcherart, wie sie es wohl an die hundert Mal draußen auf den Straßen praktiziert hatten. Zusätzlich dämpfte Edeard die Tavernenlichter um sie herum und erzeugte lange, dunkle Schatten. Zwischen ihnen schlichen sie voran und gelangten schließlich unbemerkt in die hinteren Zimmer.
Mit jedem weiteren Schritt hinauf in die zweite Etage, wo sich die Privaträume befanden, wuchs Edeards Anspannung. Bis jetzt spielte Macsen ganz gut mit, aber wie er auf das, was ihn erwartete, reagieren würde … Ohne Macsen wäre der Trupp ernsthaft geschwächt, und er brauchte seine volle Stärke.
»Alles klar?«, fragte Edeard vor der Tür.
»Ja«, flüsterte Dinlay.
Dann hörte Edeard ein metallisches Klicken – ein Pistolensicherungshebel, der zurückgezogen wurde. »Ist einer von euch bewaffnet?«
»Ja«, erwiderte Boyd.
»Na ja, eigentlich wir alle«, sagte Dinlay verteidigend. »Wir dachten, wir würden ein Bandenversteck ausheben.«
»Oh Herrin, nein, nein, das hier ist keine Razzia. Es ist nicht mal wirklich gefährlich, wir müssen sie bloß auf frischer Tat ertappen. Also steckt bitte eure Pistolen weg.«
Vereinzeltes Gemurre setzte in dem scheinbar menschenleeren Gang ein, gefolgt von umherfummelnden Geräuschen.
»Alles klar?«, fragte Edeard noch einmal, während ihm gleichzeitig die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Handelns durch den Sinn ging, wenn man sich gegenseitig nicht einmal richtig sehen konnte. »Los!«
Wie ein Mann gaben sie ihre Verstohlenheit auf. Edeard zerschmetterte mit seiner dritten Hand das Schloss und schleuderte die Tür auf. Der Trupp stürmte hinein.
Vilbys Gesicht war eine Maske des Erstaunens und Entsetzens; sein Kopf hob sich aus den Kissen. Fassungslos starrte er den Trupp an. Weiter konnte er sich nicht bewegen, denn er war mit seinen eigenen Handschellen an die seltsamen Metallringe gekettet, die über dem Kopfende des Betts in die Wand getrieben waren. Nanitte, die rittlings auf seiner Brust saß, in einer Hand ein Glas Honig, fuhr herum und stieß ein erschrockenes Keuchen aus. Dann sah sie, dass einer der Eindringlinge Macsen war, und ihr Gesichtsausdruck wechselte zu Bestürzung. »Verdammter Mist.«
Edeard konnte den Longtalk-Schrei, den sie in Richtung des anderen Endes der Stadt absetzte, deutlich wahrnehmen. Es war nicht viel: »Sie haben mich mit Vilby erwischt. Ich hab sie nicht kommen gespürt, sie waren scheißunsichtbar.« Sein eigenes Gesicht war Teil des zusätzlichen Bildes, das sie mit ihren Worten hinaussandte. Niemand antwortete ihr.
»Wag es ja nicht, morgen auf der Wache zu erscheinen«, sagte Edeard zu Vilby. »Und sieh zu, dass du mit deiner Familie bis morgen Abend aus den Mietskasernen raus bist. Nur Konstabler dürfen da wohnen.«
»Aber –«
Edeard schloss seine dritte Hand um die Brust des Mannes. Honig schmatzte unter seinem Griff. »Lass es«, knurrte er warnend.
Geschlagen sackte Vilby zurück.
Kanseen hob eine Augenbraue, als sie die klebrige Sauerei sah, die den Unterleib des Mannes
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