Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Musiklehrerin am Konservatorium nach New Forest gekommen war und dass sie schon einmal in der Carnegie Hall gesungen hatte.
Wir wussten außerdem, dass sie ungern allein lebte, ihre Mitbewohnerin aber vor einiger Zeit spurlos verschwunden war. Sie hatte die Polizei informiert, aber die hatte – wie in letzter Zeit immer – bloß genickt, behauptet, man würde nach der Frau Ausschau halten, aber sich nie wieder gemeldet. Als sie einmal angerufen hatte, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, hatte sie feststellen müssen, dass es nichts Schriftliches gab und keinerlei Maßnahmen ergriffen worden waren.
Leo begrüßte sie höflich, aber es war zu spüren, dass er über eine weitere Person im Haus nicht besonders glücklich war, obwohl sein Interesse sich merklich steigerte, als er den Eintopf und das Brot roch. Doch sein Revieranspruch, was dieses Haus betraf, begann mir auf die Nerven zu gehen. Das Haus der Schleier gehörte Rhiannon, nicht ihm. Und nach Rhiannon war ich die Nächste in der Besitzerreihe. Er war hier nur Gast, und ich fand, dass es an der Zeit war, sich dementsprechend zurückhaltend zu benehmen.
Kaylin dagegen war merklich interessiert an Luna. Von dem Moment an, als er ihr die Hand schüttelte, sprang der Funke über. Sie schien es zu merken, und die Spannung, die sich zwischen den beiden aufbaute, entging uns anderen nicht.
Wir setzten uns zum Essen, und ich überlegte, wie ich morgen verschwinden konnte, ohne dass Leo etwas von meinem Besuch bei Geoffrey erfahren würde, aber wie immer schien er mir zwei Schritte voraus, wenn es um die Vampire ging.
»Wie ich gehört habe, will Geoffrey dich morgen sehen. Soll ich dich fahren?« Er sah mich an, und zum ersten Mal seit zwei oder drei Tagen klang seine Stimme freundlich.
Ich schüttelte den Kopf. »Danke, aber dafür ist schon gesorgt.«
»Wie du willst, aber wenn du jemanden brauchst, der mit dir kommt, bin ich da.«
Mir lag eine bissige Bemerkung zu seinem Verhalten in den letzten Tagen auf der Zunge, aber ich sparte es mir, als er seinen Teller zurückschob und mir ein kleines Lächeln schenkte.
»Es tut mir wirklich leid, Cicely. Geoffrey hat irgendwie Wind von unserem Streit bekommen. Wie, weiß ich nicht, aber er schwört, dass er es nicht von dir weiß, also muss ich ihm glauben. Jedenfalls hat er mich ordentlich zusammengestaucht. Ich möchte mich für das, was ich gesagt und getan habe, entschuldigen.«
Eine Welle der Panik schwappte durch mich hindurch. »Du hast ihm doch nicht erzählt, dass ich geplant habe, bei ihm einzubrechen und mir heimlich das Gegengift zu besorgen, oder? Ich meine, der Plan ist ja sowieso … hinfällig geworden.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe nichts gesagt.« Er stieß langsam den Atem aus. »Hör zu, ich soll dir das eigentlich nicht sagen, aber – verdammt, ich schätze, ich schulde dir was. Ich habe ein Gespräch zwischen Geoffrey und Lainule mitgehört. Sie haben auch vor, Grieve zu retten.«
Seine Augen blickten nicht so freundlich, wie die Worte klangen, die aus seinem Mund purzelten, aber ich beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. Wahrscheinlich litt sein Ego noch unter der Standpauke, die Geoffrey ihm gehalten hatte.
»O danke«, sagte ich und tat überrascht. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich Geoffrey warnen sollte, sich vor Lauschern zu hüten, aber damit hätte ich Leo verraten, wodurch er sicher Ärger bekommen würde. »Das ist ja wundervoll. Aber sag es bitte noch niemand anderem – bitte. Noch nicht jedenfalls.«
Leo sah mich scharf an. »Du freust dich doch, oder? Grieve wird bald wieder bei dir sein.«
Wenn er an Anadeys Plan beteiligt gewesen war, dann musste er wissen, dass ihr Zauber nicht gewirkt hatte – ich lebte noch. Es sei denn, sie glaubten tatsächlich, dass die Verbindung gelöst werden konnte, ohne dass einer von uns Schaden davontragen würde. Aber natürlich würden sich die anderen wundern, wenn ich angesichts dieser Nachricht nicht aufgeregt reagierte. Im Gefühl, in einem Dilemma zu stecken, öffnete ich den Mund, ohne genau zu wissen, was ich sagen sollte.
Plötzlich wandte sich Peyton zu mir um und fragte: »Sag mal, hast du dir schon Gedanken über den neuen Namen der Gesellschaft gemacht?«
Ich lächelte sie dankbar an. »Ja, habe ich tatsächlich. Wir bekämpfen Schatten. Wir bekämpfen Myst. Ich dachte an ›Mondweber‹. Der Mond bringt sie ans Licht. Der Mond kann sie aufspüren.«
»Mondweber gefällt mir.«
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