Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
erhob sich eine Statue, die vielleicht sieben Meter hoch war. Es war das marmorne Abbild einer Eule. Und um diese Statue herum tanzten Männer und Frauen vor einer Steinplatte, auf die man einen Schattenjäger gefesselt hatte. Einen Schattenjäger … aber nicht gänzlich Vampirfee. Er war zu einem Teil Cambyra-Fee, das spürte ich mit Herz und Seele.
Die Tänzer waren Uwilahsidhe. Mein Volk. Und angeführt wurden sie von meinem Vater, Wrath, König von Schilf und Aue. Während er wild zu treibenden Trommeln tanzte, spiegelten seine Leute jede seiner Bewegungen, jeden seiner Schritte. An der Seite standen Geoffrey und Lainule und beobachteten das Geschehen schweigend.
Und Grieve, der auf die Steinplatte gefesselt war, fürchtete um sein Leben.
19. Kapitel
G rieve! Mein erster Impuls war, zu ihm zu stürzen, aber es gelang mir im letzten Moment, mich zusammenzureißen. Mein Wolf schien keine Schmerzen zu haben und wimmerte auch nicht, obwohl Grieve Todesangst ausstehen musste. Vielleicht hatte er schon aufgegeben. Vielleicht spürte sein Unterbewusstsein aber auch, dass sie ihm nichts antun wollten. Zumindest hoffte ich, dass das der Grund für seine Ruhe war.
Und tatsächlich schien die Truppe nicht vorzuhaben, ihn zu töten. Bei keinem der Tänzer konnte ich eine Waffe erkennen. In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken, als mein Verstand die Verbindung zu dem morgigen Treffen knüpfte, zu dem Geoffrey mich zitiert hatte. Dass er nun hier war, hatte höchstwahrscheinlich damit zu tun. Sie hatten Grieve gefangen genommen, das war nicht zu übersehen, und taten jetzt etwas mit ihm.
Ich bedeutete Kaylin abzuwarten und sah mich um. Während ich einzuschätzen versuchte, wo wir uns befanden, erkannte ich, dass wir auf unserem Weg ein Portal durchquert hatten. Wir waren durchaus noch im Goldenen Wald, aber in einem Gebiet, das die Schattenjäger weder sehen noch erreichen konnten.
Ich entspannte mich und versuchte, durch das Gegenständliche zu sehen, und schließlich erkannte ich etwas hinter der Statue, eine Gestalt, die sich zu verbergen versuchte. Es war kein Schattenjäger … nein, dazu war die Gestalt zu körperlich.
Ich bewegte mich vorwärts, um besser sehen zu können, und riss die Augen auf. Hastig winkte ich Kaylin zu mir. Hinter der Statue verborgen, so dass er selbst nicht zu sehen war, lauerte Lannan Altos.
Was zum Geier macht der denn hier? Und warum versteckt er sich?
Ein plötzliches Aufwallen von Gefahr quoll durch den Windschatten, und ich verspannte mich. Die Tänzer hatten sich in Rage getanzt und bewegten sich jetzt wild zu aufpeitschenden Gesängen. Geoffrey hielt eine Nadel hoch und betrat den Kreis der Tanzenden, wo er sich über Grieve beugte.
Das Gegengift. Er soll das Gegengift ausprobieren.
Grieve sah auf, betrachtete die Spritze, und sein Blick war klar. Er hörte auf, gegen die Fesseln zu kämpfen, und ich konnte seine Worte durch die Musik, durch den Lärm der Gesänge und Trommeln vernehmen. Von seinen Lippen flogen sie durch den Windschatten zu meinem Ohr.
Was immer geschieht, ich liebe dich. Was immer sie mit mir vorhaben, ich spüre deine Nähe und werde dich ewig lieben, Cicely.
Ich hörte keinen Vorwurf in seiner Stimme, keine Angst, nur strahlende Liebe. Und ich stürzte Hals über Kopf in sein Herz. Wenn Grieve hiervon sterben würde, dann würde ich es auch tun, und ich wollte leben, aber ich wollte vor allem ihn an meiner Seite.
Geoffreys Kopf fuhr plötzlich hoch, und er sah direkt in meine Richtung.
Er kann uns doch nicht sehen, oder? Ich dachte, Vampire haben keine natürliche Begabung, auf die Schattenebene zu sehen.
Kaylins Finger lagen auf meiner Schulter und mischten sich mit meiner Essenz. Nein, sehen kann er uns nicht, aber offenbar spürt er, dass etwas im Busch ist. Vielleicht hat er gehört, was Grieve gesagt hat.
Das musste es gewesen sein. Wenn er tatsächlich Grieves Worte vernommen hatte, dann würde er es entweder für Geplapper im Delirium halten oder aber wissen, dass ich mich hier ebenfalls herumtrieb. Ich würde jedenfalls bleiben, wo ich war, und mich nicht zu erkennen geben.
Schließlich senkte Geoffrey den Kopf wieder und beugte sich über meinen leidenden Prinzen. Er hielt die Spritze hoch, fast als wollte er sie mir zeigen, und legte sie an Grieves Arm.
»Warte! Was tust du da?« Lannan trat aus seinem Versteck. Selbst aus der Entfernung sah ich das wütende Glimmen in seiner Miene.
Geoffrey hielt inne. »Lannan, ich kann mich
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