Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
etwa, es könnte sich in mir festsetzen?
»Den musst du dir woanders suchen. Geh zum Hof der Träume und nimm einen der Auserwählten. Sie kannst du nicht bekommen – sie wird dir nie gehören!« Kaylin klatschte in die Hände, und Energie drang in zitternden Wellen durch die Luft, riss den Nachtflor von den Füßen und stieß ihn von uns weg. Er heulte auf, kreischte und stob davon.
»Wie hast du das gemacht?«
Kaylin drehte sich zu mir um, und selbst in seiner unscharfen Schattengestalt leuchteten seine Augen. Er lächelte. »Ich hab ihm gesagt, dass er abhauen soll.«
»Klar, hast du, habe ich ja gehört.« Ich kämpfte mit mir, ob ich weitersprechen sollte. Kaylin war stark, das hatte ich schon vorher gewusst, aber ich hatte noch nie gesehen, wie er Energie auf diese Art nutzte. »Du hast dich verändert, seit dein Dämon erwacht ist.«
»Ja, das habe ich.« Kein Leugnen, keine Verteidigung. Nur eine ruhige Bestätigung einer Tatsache.
»Es ist dein Dämon, der so etwas wie eben macht, oder?«
»Das Junge ist jetzt unter Kontrolle, daher – nein, ich bin es, der das macht, aber der Dämon verleiht mir die nötige Kraft dazu. Wir arbeiten zusammen.« Er runzelte die Stirn. »Falls du dir Sorgen machst – das musst du nicht. Ich entwickle mich weiter, aber anders als die Fledermausleute bin ich kein Fan der Dämonen. Ich nehme sie einfach als das hin, was sie sind, ein Instrument zu einem Zweck.«
»Ein Instrument? Aber es sind fühlende Lebewesen, sie haben einen eigenen Willen. Deiner hat mir einen ordentlichen Schwinger verpasst, ich kann dir die Prellung noch zeigen.« Ich war mir nicht sicher, was ich von jemandem halten sollte, der ein anderes Wesen – Dämon oder nicht – als Instrument bezeichnete.
»Sie sind, was sie sind, Cicely. In diesem Universum gibt es so viele Dinge, die du nicht verstehst, die niemand von uns versteht. Es gibt kein klares Schwarz oder Weiß. Selbst Myst hat Züge, die man in Grauschattierungen ansiedeln muss. Vielleicht siehst du sie ja eines Tages sogar, und ich bete darum, dass es nicht deinen Niedergang bedeutet.«
Ich biss mir auf die Lippe. Nichts würde mich dazu bringen, Mitgefühl mit Myst zu empfinden, aber noch während ich das dachte, beschloss ich, es nicht auszusprechen. Ich wollte kein Risiko eingehen, Unglück heraufzubeschwören. Im Übrigen würde Kaylin nur anfangen, mit mir zu diskutieren.
»Gehen wir nach Hause. Ich muss noch eine Menge überdenken, bevor ich mich morgen Abend mit Geoffrey und Lainule treffe.«
Wir kehrten also endgültig zum Haus zurück, und Kaylin half mir, von der Astralebene zu springen und wieder in der Welt des Gegenständlichen zu landen. Bevor er mein Zimmer verließ, strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte.
»Du hast Luna in dieses Haus gebracht. Dafür bin ich dir dankbar. Ich fühle mich von ihr stärker angezogen, als ich es je bei einer Frau erlebt habe. Ich hoffe nur, sie ist noch niemandem versprochen.«
»Ist sie nicht«, erwiderte ich automatisch, bevor ich mir bewusst machte, dass ich besser den Mund gehalten hätte. Vielleicht wollte sie gar nichts von Kaylin. Obwohl … wenn ich ihre Ausstrahlung beim Abendessen richtig gedeutet hatte, war der Funken gegenseitig übergesprungen. Aber wie auch immer – ich hatte die Katze aus dem Sack gelassen.
»Mehr wollte ich gar nicht wissen.« Kaylin hielt inne. »Cicely, keine Angst. Wenn sie nicht will, werde ich sie weder bedrängen noch sonst etwas tun, was ihr unangenehm sein könnte. Ich bin nicht derjenige, auf den du aufpassen musst.«
Und damit ging er und schloss die Tür hinter sich.
Ich verriegelte sie hinter ihm und fand es entsetzlich, dass ich es tun musste, weil ich mir nicht mehr sicher war, wem ich in diesem Haus trauen konnte. Nach dem, was bei Anadey geschehen war, traute ich meinem eigenen Urteil nicht mehr. Vielleicht war Luna gar nicht die, für die ich sie hielt. Und was, wenn Leo gemeinsame Sache mit … oh, nun ja, war Lannan wirklich schlimmer als Geoffrey? Ja, im Vergleich war mir Geoffrey als der Nettere vorgekommen, aber Lannans Worte klangen mir noch in den Ohren. Ganz zu schweigen von Geoffreys eigenen – er hatte förmlich mit der Zerstörung geprahlt, die er angerichtet hatte.
Ich kroch zurück aufs Bett, schlang mir die Bettdecke um die Schultern und zog die Knie an die Brust. Während ich grüblerisch dasaß, klopfte es plötzlich wieder an meiner Tür.
»Das geht ja hier zu wie auf dem
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