Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
nicht das Herz bricht?«
Ich zog sie an mich und küsste sie auf die Wange. »O Rhiannon. Ob Liebende oder Freunde oder beides gleichzeitig, wir werden immer gebrochene Herzen haben. Ob uns jemand nun zurückweist oder erst liebt und dann verlässt oder ob man hundert Jahre glücklich mit jemandem zusammen ist, der dann stirbt … jedes Herz bricht irgendwann. Warum willst du dir all das Schöne versagen, nur weil ein trauriger Bestandteil enthalten ist?«
Sie schauderte. »Ich fürchte mich davor, vielleicht etwas wegzuwerfen, weil ich einer Illusion hinterherjagen will. Ich fürchte mich davor, mir etwas bloß einzubilden. Ich fürchte mich davor, ihm weh zu tun, nur weil ich glaube, jemand anderen zu lieben.«
»Aber willst du wirklich in Kauf nehmen, unglücklich zu werden, nur weil du dich fürchtest? Bitte versprich mir, dass du mit Chatter sprichst, Rhia. Finde heraus, wie er dazu steht, bevor du irgendetwas unternimmst oder dich festlegst.«
Sie warf einen Blick zur geschlossenen Tür. »Es kommt mir so falsch vor. Als würde ich ihn hintergehen.«
Ich zögerte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. »Versprich mir einfach, dass du lange und gründlich darüber nachdenkst, bevor du jemanden heiratest. Eine Verlobung aufzulösen ist weitaus leichter, als eine schon Jahre bestehende Ehe zu scheiden.«
Rhiannon seufzte leise. »Ja, das weiß ich. Ich denke darüber nach.« Dann hob sie die Schultern. »Komm, hübschen wir dich auf.«
Wir betraten mein Zimmer, und ich schloss die Tür, während Rhiannon sich im Schneidersitz auf den Boden vor mein Bett setzte und die Ellbogen auf die Knie stützte. Nachdenklich spielte sie mit dem Saum meiner Decke, während ich meine Sachen auszog und mir einen Bademantel überstreifte.
»Bin gleich zurück. Ich muss mich nur rasch abbrausen.« Ich lief in die Dusche, ließ den Bademantel fallen und rief Rhiannon zu: »Kannst du mal nachsehen, ob du was Nettes zum Anziehen für mich findest? Ich weiß nicht genau, was, aber soweit ich weiß, geht es nicht um eine Party, auch wenn ›Abendgarderobe‹ auf der Karte stand.«
Als ich mich eingeschäumt, abgespült und wieder abgetrocknet hatte und aus der Dusche trat, stand sie abwartend mit einem umwerfenden kobaltblauen ärmellosen Kleid da. Es war tief ausgeschnitten, aus Jersey, hatte Raffungen an der Schulter und einen schwarzen Gürtel. Ich starrte es an. Die Farbe war intensiv – so intensiv, dass man es kaum ansehen konnte.
»Wo hast du denn das gefunden? Ich weiß sehr gut, dass du kein derartiges Kleid hast.«
Sie grinste. »Ich habe mal wieder Heathers Schrank geplündert. Das hier hat ihr nie gepasst. Es war zu kurz und zu, na ja, groß, sogar ein oder zwei Größen. Aber es sieht aus, wie für dich gemacht. Ich könnte mir vorstellen, dass sie es für einen deiner letzten Besuche hier gekauft hat, aber keine Chance hatte, es dir zu geben, weil du verschwunden bist, nachdem du und Grieve euch …«
»… uns getrennt haben«, beendete ich den Satz für sie. Danach war ich abgehauen. Ich hatte nur noch weggewollt von New Forest und der Erinnerung an seinen schmerzerfüllten Blick, als ich ihm gesagt hatte, dass ich noch nicht bereit dazu war, zu ihm nach Hause zu kommen. Nun hätte ich alles gegeben, um in der Zeit zurückzureisen und meine Worte von damals zurückzunehmen. Aber andererseits … wollte ich das wirklich? Wollte ich auf das verzichten, was aus mir geworden war?
Ich schüttelte den Gedanken ab. »Lass mich mal anprobieren.« Ich zog mir einen BH an und streifte das Kleid über. Es schmiegte sich wie maßgeschneidert an meinen Körper und hatte genau die richtige Farbe für meine Haut und mein Haar. Aber als ich in den Spiegel blickte und das strahlende Lächeln Rhiannons hinter mir sah, bekam meine Stimmung plötzlich einen Knacks, und wie bei einem kalbenden Eisberg platzte meine aufgesetzte Unbekümmertheit von mir ab, und unter Tränen sank ich auf die Knie.
Rhia war sofort bei mir. »Cicely, was ist denn los? Alles okay?«
Ich schüttelte den Kopf, schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte weiter. »Ich muss dir so dringend was erzählen, so unbedingt, aber ich traue mich wegen Leo nicht. Weil ich nicht weiß, wie loyal du bist. Ich möchte so gern mit dir reden, aber ich kann es nicht. Ich darf niemandem außer mir selbst trauen, und ich fühle mich so einsam. Heute Abend muss ich zu dem Vampir, und ihm traue ich am wenigsten über den Weg. Aber ich muss dennoch hin, und ich
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