Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)

wir uns ihrer Hilfe versichern könnten, haben wir wahrscheinlich für lange Zeit eine wichtige Verbündete.
    Ich verstehe. Ich nahm den Draht und untersuchte ihn. Einige der Symbole waren für mich deutlich erkennbar. Bei einer solchen Falle war die Magie gewöhnlich so verarbeitet, dass Pflock und Draht das Wort enthielten, das die Falle wieder öffnete, doch für den Gefangenen selbst war es unsichtbar. Ich betrachtete die Symbole und las sie sorgsam, aber etwas fiel mir auf, etwas im Aufbau der Worte. Und plötzlich begriff ich, dass ich nicht nur den Rhythmus des Zauberspruchs erkannte, sondern auch den Stich – die Schrift! – selbst.
    Tante Heather. Heather war es gewesen, die die Falle in Mysts Auftrag eingerichtet hatte. Ich hob den Kopf und starrte Peyton und Chatter ausdruckslos an.
    »Meine Tante. Sie …« Ich brach ab, als Chatter hastig den Kopf schüttelte. Er hatte recht. Wenn die Schneevettel herausfand, wer sie gefangen hatte, würde sie sich rächen wollen. Allerdings mochte das in diesem Fall nicht das Schlechteste sein. Heather würde nie wieder die werden, die sie einmal gewesen war. Sie gehörte nun Myst. Aber die Schneevettel konnte sich darüber hinaus an Rhiannon oder mir rächen wollen, und das Risiko konnten wir nicht eingehen.
    Ich steckte die Falle ein. Heather hatte sie angefasst, und daher konnte sie uns nützen, wenn wir einen Bann über sie legen wollten. »Ich kenne den Spruch, der dich erlösen kann«, sagte ich der Hexe. »Aber verrate mir eins: Warum sollte ich jemanden aus einer magischen Falle befreien?«
    Man durfte einen Wildling niemals um einen Gefallen bitten – man wäre ihm ein Leben lang ausgeliefert. Aber wenn man die Karten geschickt ausspielte, konnte man sich zu einem klugen Deal verhelfen.
    Die Vettel runzelte die Stirn und neigte den Kopf. »Dieser Jemand könnte etwas Wichtiges wissen und aufpassen und den Feind im Auge halten. Denn in diesem Wald sind Geheimnisse verborgen, die nicht einmal die Fürstin der Verwüstung kennt, und viele Kreaturen hier mögen ihre Herrschaft nicht.«
    Sie erbot sich also, die Doppelagentin zu spielen. Sie wusste etwas, das uns nützte, und vielleicht konnte sie uns auch eine Information geben, die Myst schadete.
    Mit einem raschen Blick zu Chatter sagte ich: »Sollte sich jemand aber entschließen, etwas Derartiges zu tun, müsste er einen bindenden Eid leisten, von dem Myst nichts erfahren kann. Einen Eid, der mit Blut besiegelt wird.«
    »Blut, Blut, Blut, der Lebenssaft. Trank der Verdammten, er gibt ihnen Kraft. Blut gegen Wissen, kann nicht schaden, kann nicht missen.« Die Wörter kamen als Singsang in rascher Folge, wie ein Trillern im Wind, ein Stolpern im Satz.
    Ich holte mein Springmesser hervor. Eine eindeutigere Einwilligung würden wir nicht bekommen. »Dann würde ich sagen, dass ein Tropfen Blut für die Befreiung ein fairer Handel wäre. Ein bindender Eid, unsere Gegenwart hier im Wald geheim zu halten und uns Dinge darüber zu verraten, die Myst nicht weiß.«
    Die Schneevettel nickte. »Ein fairer Handel wäre das. Ein Narr, der nicht annähme, ein schlaues Wesen, das die Chance ergriffe.« Sie hielt mir ihre Hand hin, und ich zog das Messer erst über ihre Innenfläche, dann über meine, und wir reichten uns die Hände. Es fühlte sich glitschig an und begann fast augenblicklich zu kribbeln, und unwillkürlich fragte ich mich, ob sie vielleicht eine schlimme Krankheit hatte, aber nun war es natürlich zu spät, um sich darüber Sorgen zu machen.
    Schließlich zog ich meine Hand zurück. »Es könnte weise sein, die Worte, die nötig sind, um die magische Schlinge zu lockern, nur zu flüstern. Arcanum, Arcanum, archanumist. Vilathia, reshon, reshadar. «
    Die Hexe grinste verschlagen und wiederholte den Zauberspruch, und eine leichte Brise erhob sich. Ich hörte das Klingen berstender magischer Ketten im Windschatten. Die Wildling-Fee wackelte mit dem Kopf, dann legte sie einen langen, knochigen Finger an ihre Nase.
    »Einen Handel gemacht, einen Handel erfüllt. Entzieh dich niemals deiner Schuld, brich niemals ein Versprechen. Hier ein bisschen Blut vergossen, dort ein Geheimnis offenbart. Myst gefiele es nicht, wüsste sie es denn. Myst ist im Schlaf eine Spinne, die Pläne und Intrigen webt. Aber nicht alle Spinnen sind neunmalklug. Myst weiß nichts von dem unterirdischen Gang, der hier in der Nähe entlangführt. Keiner ihrer Mannen nutzt ihn. Man könnte tatsächlich einfach hinuntersteigen und