Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
wieder das Risiko einzugehen, jemandem, der mir etwas bedeutet, damit Schaden zuzufügen. Es ist trotzdem nicht dasselbe wie bei Rhiannon. Wenn Magiegeborene ihre Kräfte unterdrücken, kommt es irgendwann unweigerlich zu einer Art Implosion. Wir Cambyra haben keinen solchen Druck in unserem Innern.« Tief sog er die Luft ein und stieß sie wieder aus. »Bitte sag’s ihr nicht. Und Leo schon gar nicht.«
Ich zog die Brauen zusammen. »Leo würde diese Verbindung gar nicht gefallen.«
»Nein, wohl kaum.«
Ich seufzte tief. »Wir sollten endlich anfangen. Danke – für alles. Ich denke über das, was du gesagt hast, nach, aber …«
Ich erhob mich und zuckte mit den Achseln. Ich würde Grieve nicht aufgeben.
Chatter nickte. Seine Augen waren dunkel. »Du wirst tun, was du für richtig hältst. Aber, Cicely, Myst wird gegen dich verwenden, was immer sie kann. Du warst einst von ihrem Blut, und du hast sie verraten.«
»Woran sie sich erinnern kann. Im Gegensatz zu mir.« Ich schüttelte die Last seiner Worte ab und sah auf Kaylin herab. »Wir müssen das Ritual beginnen. Bist du bereit?«
Er nickte. Ich erklärte ihm, was wir tun würden, und wir fingen an, den magischen Kreis aus Salz zu bilden, dann den Belladonnaring und zum Schluss den aus Quarzkristallen. Ich kletterte aufs Bett und setzte mich rittlings auf den nackten Kaylin. Es kam mir unangemessen vor, und dennoch regte sich etwas in mir, als ich auf seinen Unterbauch niedersank.
Und dann begann ich zu singen:
»Dämon, erwach aus deinem Schlaf,
Dämon, gib meinem Rufen nach.
Nachtflor, der du wirst geboren,
erfüll den Eid, der einst geschworen.«
Chatter stellte sich neben mich und sang die Gegenstimme so schön und so rein, dass ich erstaunt zu ihm aufblickte. Ich hatte nicht gewusst, dass er ein so großartiger Sänger war.
»Zum Leben erweckt, zum Tode auch.
Zur Leere erweckt, zum Atemhauch.
Zur Welt erweckt, zur Grabesruh.
Zum Wirt erweckt, befreit seist du.«
Kaylin regte sich. Oder um es genauer zu sagen, er verkrampfte! Ich winkte Chatter, der rasch neben mir in die Hocke ging. Kaylin zitterte jetzt heftig am ganzen Körper, und wir konnten ihn nur mit Mühe unten halten. Schaum trat in seine Mundwinkel, seine Augen rollten in den Kopf zurück, und ich beugte mich vor und legte mein ganzes Gewicht auf seine Schultern. Morgen würde er mit einem bösen Muskelkater und mit Prellungen übersät aufstehen, aber wenn wir zuließen, dass er strampelte und um sich schlug, mochte weit Schlimmeres geschehen.
Chatter nahm eine kleine Flasche, die der Schamane mir gegeben hatte, und ließ drei Tropfen vom Inhalt in Kaylins Mund fallen. Kaylin stieß einen langgezogenen Schrei aus, mehr ein Heulen, und ich spürte seine Erektion, als er zu erwachen begann. Verdammt. Das konnte übel ausgehen.
Kaylin begann sich herumzuwerfen, dann richtete er sich plötzlich auf und schleuderte mich von sich. Ich flog durch die Luft und krachte zu Boden, als er auch schon mit wallendem Haar über mir stand, und in seinen Augen blitzte ein seltsames Licht. Chatter näherte sich von hinten, packte meine Hand und zerrte mich aus dem Weg.
Als hätte er seine Arme noch nie gesehen, hielt Kaylin sie vor sich und untersuchte sie, blickte dann herab auf seine Erektion, stieß ein kehliges, tiefes Lachen aus und drehte sich zu mir um.
»Danke, dass du mich erweckt hast, Cicely. Komm her, und ich zeige dir, wie dankbar ich dir bin.« Seine Miene war anmaßend, und doch … und doch war der alte Kaylin noch dahinter zu erkennen.
»Kaylin, weißt du noch, was passiert ist?« Flüchtig kam mir der Gedanke, dass dies hier nicht die allerbeste Idee gewesen sein könnte, aber Lainule war sicher gewesen, dass wir ihn brauchten. Im Übrigen wäre es mir unmöglich gewesen, ihn einfach in seinem komatösen Zustand liegen zu lassen; es wäre einem Todesurteil gleichgekommen.
»Oh, ich weiß es noch sehr gut«, sagte er und kam langsam auf mich zu. »Ich habe eine lange, lange Zeit geschlafen und dann … dann rührte sich etwas, und ich wusste, dass ich aufwachen muss.«
»Du bist der Nachtflor – und wo ist Kaylin? Ich kann ihn in dir sehen. Lass ihn durch. Es ist sein Körper, du teilst dir nur ein Stückchen mit ihm.«
»Teilen? O nein, ich denke nicht. Ich will diesen Körper ganz für mich, und ich werde meine Freiheit in vollen Zügen genießen.« Der Dämon lachte, hob langsam eine Hand, ballte sie zur Faust und betrachtete sie erfreut.
»Cicely – der
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