Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
kann es nicht abschütteln.
Ich kämpfte darum, mich aus der Energieverbindung zu befreien, es von mir abzustreifen, aber es umklammerte mich auf einer Ebene, auf der meine Hände und meine Muskeln nichts ausrichten konnten.
Doch dann wehte Ulean auf den Dachboden, rüttelte an der Tür und klapperte mit den Bildern an den Wänden, und das Wesen gab mich frei und ließ von mir ab. Ich schlug die Augen auf und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Als ich an mir herabblickte und sah, wie zerknittert mein Hemd war, wusste ich, dass ich mir nichts eingebildet hatte.
Was war denn das?
Eine Manifestation von Kaylins Dämon, nehme ich an.
Glaubst du, dass ich das Richtige tue?
Ich glaube, dass du keine Wahl hast. Im Wind wird gemurmelt. Kaylin muss leben. Wir brauchen ihn. Und dann sagte sie nichts mehr.
Rhiannon brachte mir ein Käse-Schinken-Sandwich und drückte mir außerdem einen Energy-Drink in die Hand, den ich sofort in mich hineinschüttete. Dann verschlang ich mein Brot, und als Rhiannon und Leo, der noch immer brodelte, mit den rituellen Zutaten zurückkehrten, ging ich rasch in mein Zimmer, um mir ein Nachthemd anzuziehen. Nachthemden, vor allem lange, wallende, eigneten sich hervorragend für Rituale, aber vor allem musste ich die Klamotten, in denen ich zwei Tage unterwegs gewesen war, loswerden. Ich nahm den Fetisch und betrachtete ihn. Die Figur sah in der Tat genauso aus wie das Wesen, mit dem ich in Kaylins Zimmer gerade Bekanntschaft gemacht hatte. Ein Nachtflor.
Ich schloss meine Hand um die Figur, strich mein Haar zurück und schob mir ein Band hinein, um es dort zu halten. Dann griff ich nach meinem Stilett, vergewisserte mich, dass ich meinen Mondstein um den Hals trug, und kehrte zu Kaylin zurück.
»Helft mir, ihn in Position zu bringen. Er muss nackt auf dem Rücken liegen, die Arme an den Seiten ausgestreckt, die Beine dürfen sich nicht berühren.« Wir machten uns an die Arbeit, aber als wir ihm den lockeren Kimono abstreiften, den Leo und Rhiannon ihm angezogen hatten, hielt ich inne. Kaylin war durchtrainiert und muskulös, aber nicht muskelbepackt. Ich musterte seinen Körper eingehend und fragte mich unwillkürlich, wie es wohl wäre, die einladend glatte Haut zu berühren … oder von ihm berührt zu werden.
Mein Wolf grollte, und ich sog scharf die Luft ein und legte die Hand auf meinen Bauch. Hab keine Angst, Grieve … ich schaue vielleicht gern hin, aber du bist meine einzige Liebe, mein Seelenpartner, mein Geliebter. Das weißt du. Der Wolf beruhigte sich wieder ein wenig, blieb aber angespannt und nervös. Und ich … ich fragte mich einmal mehr, wohin dies alles führte und wie in aller Welt ich Grieve retten sollte, wenn ich nicht einmal wusste, ob ich mich selbst retten konnte.
Ich signalisierte den anderen, den Raum zu verlassen. »Je mehr Leute hier drin sind, umso komplizierter wird das Ritual. Einen von euch brauche ich allerdings – Chatter, kannst du bleiben?«
Leo, Rhiannon und Peyton gingen hinaus – der Erste murrend –, und ich schloss die Tür hinter ihnen und wandte mich zu Chatter um. »Ich brauche Rückendeckung. Ich muss den Dämon befreien, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass er in ihm bleibt. Das kann ich nur, indem ich mit ihm ringe und den Fetisch an seinem Herzen zerbreche, sobald der Nachtflor ganz erwacht ist. Der Schamane hat mir seinen Namen genannt, und damit kann ich ihn kontrollieren, aber er wird versuchen, mich anzugreifen.«
»Ich dachte, er sei schon Teil von Kaylin«, sagte Chatter.
»Ja, ich auch, aber wie ich erfahren habe, hat der Dämon, der sich in sein Erbgut gemischt hat und danach verendet ist, ein Junges hinterlassen. Und das will jetzt schlüpfen.«
»Aha.« Chatter nickte. Aber er wirkte, als wolle er noch mehr sagen.
»Was ist? Und sag jetzt nicht ›nichts‹. Du machst dir Gedanken wegen Grieve.«
»Du solltest nicht auf ihn zählen. Ich liebe ihn vielleicht mehr als du – er ist wie ein Bruder für mich –, aber ich denke praktisch. Grieve gehört jetzt Myst, und Myst verzeiht nicht, wenn eine andere mit ihrem Spielzeug spielt.«
Ich stieß einen kurzen Seufzer aus. »Sei nicht beleidigt, aber es kümmert mich einen Dreck, was du oder Leo oder Rhiannon denkt. Ihr wisst, dass Grieve und ich schon früher, in einem anderen Leben, ein Paar waren. Ich gehörte zum Indigo-Hof, er zu den Cambyra-Feen. Wir liebten uns, wurden aber verfolgt, und bevor wir uns selbst umbrachten, schlossen wir unsere Seelen in
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