Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
dass Grieve verprügelt worden war und ich durch meine Verbindung zu ihm alles gespürt hatte. Der Gedanke daran, dass er Myst ausgeliefert war, verursachte mir ein flaues Gefühl im Bauch.
»Dein Rücken ist voller Striemen. Als hätte man dich ausgepeitscht.«
Sie half mir auf und führte mich zum Spiegel, wo ich über die Schulter meinen Rücken betrachtete. Kreuz und quer über die Haut zogen sich frische rote Striemen. »Verdammt. So ein elender Mist!« Ich starrte auf die nässenden Schnitte, als Leo auch schon die Treppe hinunterrannte. »Grieve ist geschlagen worden. Ich habe seine Schmerzen gespürt. Aber mir war nicht klar …«
»Du hast seinen Schmerz auf dich genommen. Cicely, diese Verbindung zu Grieve … sie könnte höllisch gefährlich werden! Was, wenn Myst versucht, ihn zu töten?« Kaylin nahm mein Kinn in die Hand und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. »Wir müssen das Band durchtrennen.«
»Nein! Grieve gehört zu mir! Sie kriegt ihn nicht!« Ich brach in Tränen aus und krümmte mich in Rhiannons Armen zusammen.
»Schsch … uns fällt schon etwas ein. Wir finden einen Weg …«
Ich wusste, dass sie selbst nicht daran glaubte, aber es sie sagen zu hören, tröstete mich dennoch ein wenig. Leo kehrte mit einem Döschen Salbe zurück, und sobald er das Mittel auf meinen Rücken gab, begann das Brennen nachzulassen. Bald darauf war es ganz verschwunden.
»So, schon alles eingezogen. Verbinden können wir die Wunden ohnehin nicht, aber ich glaube nicht, dass etwas zurückbleiben wird. Sie scheinen schon jetzt etwas zu verblassen. Ich nehme an, dass sie rascher heilen als echte Striemen, da sie durch empathische Magie entstanden sind.« Er stieß geräuschvoll den Atem aus. »Ich dränge nur ungern, aber wir sollten jetzt los. Geoffrey und seine Leute können Unpünktlichkeit nicht ausstehen, und Lannan wird jede Ausrede nutzen, um sich gegen dich zu wenden. Und das kannst du im Augenblick sicher nicht gebrauchen.«
Ich nickte und schluckte den Kloß, der mir in die Kehle gestiegen war. Rhiannon half mir auf die Füße und zog mein Kleid glatt. Ich zuckte zusammen, aber wenigstens sorgte der tiefe Rückenausschnitt dafür, dass nichts über meine wunde Haut scheuerte. Blieb nur zu hoffen, dass Lannan nichts bemerken und keine Fragen stellen würde. Ich würde mir ein Schultertuch umlegen, unter dem die Striemen verborgen sein würden, bis sie verblasst waren.
Mit schwerem Herzen und den Gedanken bei Grieve schminkte ich mich und schlüpfte in die schwarzen Wildlederstiefeletten. Kleine Messingschlösser baumelten an den Reißverschlüssen, und ich ließ sie sorgfältig einrasten. Dann wählte ich ein klobiges rotes Armband und eine dazu passende Kette. Auf einer Vampirparty Silber zu tragen, hätte nur Ärger heraufbeschworen.
Als ich fertig war, legte ich mir einen schwarzen Spitzenschal, der mit glitzernden roten Fäden durchzogen war, über die Schultern und nahm meine Clutch. Ein Blick in den Spiegel sagte mir, dass ich das Beste aus mir herausgeholt hatte, was mir normalerweise ein herrliches Gefühl verschaffte. Doch in diesem Fall konnte ich nur daran denken, dass Lannan da sein und mich beobachten würde. Als ich mich zum Gehen wandte, versuchte ich, ihn aus meinem Kopf zu verdrängen, aber der Vampir blieb hartnäckig da.
Geoffreys Anwesen funkelte wie immer prächtig, als wir in dem Wagen, den er uns geschickt hatte, vorfuhren. Die Leute, die durch den Haupteingang quollen, bildeten ein Who’s-Who der glamourösen Beißer-Clique, und als Leo, Rhiannon und ich uns durch die Menge drängten, fühlte ich mich wie eine wandelnde Einladung zu einem All-You-Can-Drink-Abend.
Rhia trug ein knöchellanges blaues Cocktailkleid mit schimmernden Pailletten, das mindestens zwanzig Jahre zu alt für sie war. Ich musste sie in Zukunft daran hindern, Heathers Schränke zu plündern. Die beiden hatten fast dieselbe Größe und waren gleich schlank, aber Heather hatte sich stets etwas gedeckter angezogen, und Rhia wirkte in Heathers Sachen bieder.
Leo war die Überraschung des Abends. Er trug einen Nadelstreifenzug mit gepolsterten Schultern und schmal geschnittener Hose, dazu passende schwarz-weiße Schuhe. Das Outfit stand ihm enorm gut. Er grinste mich an, als er meinen Blick auffing.
»Geoffrey meinte, ich könnte mal einen Stilwechsel vertragen. Und da er die Rechnung bezahlt, habe ich beschlossen, seiner Empfehlung zu folgen.«
»Wir tanzen also alle nach Geoffreys Pfeife,
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