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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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wieder. Mann, war das in dieser Straße dunkel.

    Der Mond am Himmel schimmerte auf den Dachschindeln, aber drinnen brannte kein einziges Licht, und irgendein Volltrottel hatte die Straßenlaterne darüber ausgeschossen. War Rex eingeschlafen?
    „Loser“, murmelte sie, stellte den Motor ab und stieg aus.
    Als sie den Weg hinauflief, entdeckte Melissa, dass der Fernseher drinnen flackerte. Super, der alte Mann war wach.
    Sie hatte gedacht, Rex wollte ihn kaltstellen, wie er es immer tat, wenn wichtige Expeditionen anstanden. Stalker, mysteriöse Landebahnen und der Halbling – sie hatten genug am Hals, auch ohne alte Psychos, die sich ihnen in den Weg stellten.
    Sie streckte die Hand nach der Klingel aus, hielt aber dann inne. Der Griff hing lose an der Tür, als ob der letzte Fetzen vom Geist des Hauses nun auch entflohen wäre und nur brüchige Knochen hinterlassen hätte. Er drehte sich widerstandslos in ihrer Hand, die Tür schwang auf den leisesten Druck nach innen.
    Ein Schauer lief Melissa über den Rücken. Das kalte Metall schmeckte nach nervöser Erregung, beißend wie der Rauch eines Kohlenfeuers, das mit zu viel Feuerzeugbenzin entzündet worden war.
    „Hallo?“
    Ihre Midnighteraugen sahen perfekt im flackernden Fernseherlicht. Rex’ Dad hing in einer grotesken Haltung im Sessel, mit offenem Mund, aus dem es tropfte. Ein seltsamer Geruch ging von ihm aus – ein echter, kein erinnerter. Es roch scharf und chemisch, wie Farbverdünner. Sie konnte den alten Mann sanft schnarchen hören.
    Melissa ging schnell an ihm vorbei, auf Rex’ Zimmer zu, die Hände in den Taschen. Das Badezimmerfenster am Ende des dunklen Flurs stand offen, feuchte Kälte und eisig glitzerndes Mondlicht fluteten durch den Gang.
    „Rex?“, rief sie zögernd. Falls der alte Mann nicht gedopt war, wollte sie ihn nicht wecken. Sie wollte aber eine Antwort, irgendein Geräusch von Rex, bevor sie seine Zimmertür öffnete. Sie konnte ihn immer noch nicht spüren. Etwas war faul.
    Sie hätte seinen Geschmack auf der Zunge fühlen müssen, nachdem sie sich jetzt so weit im Inneren des Hauses aufhielt.
    Seine Gedanken kamen immer am deutlichsten bei ihr an, als ob er seinen eigenen Kanal hätte.
    Wenn er nicht in einem tiefen, traumlosen Schlaf lag. Oder er war …
    Melissa stieß mit dem Fuß die Tür auf, ihre Hände in den Taschen zu Fäusten geballt.
    Im Raum herrschte das übliche Durcheinander aus schwarzen Umrissen, Papierstapeln und Kleiderhaufen, von allen Wänden stürzten Bücherregale auf sie ein.
    Aber das Bett war leer, zerknüllte weiße Laken leuchteten in der Dunkelheit, und Rex’ Rucksack fehlte an der Rückenlehne seines Schreibtischstuhls.
    Vielleicht war er schon weg, hatte sie mit seinem Eilanruf gerade verpasst. Aber welche Sorte Notfall könnte ihn von der Arbeit abhalten, die sie heute Nacht vorhatten? Und in wessen Auto?
    Sie trat ins Zimmer, setzte ihre Hände der kalten Luft aus und spreizte die Finger, um die verworrenen Resonanzen des Raumes zu erspüren.
    Ein anklagendes Jammern ertönte am Türrahmen hinter ihr, eine Woge sanfter, neugieriger Gedanken trug Hunger und Verärgerung an sie heran.
    „Komm her, Dag.“ Melissa ging in die Knie und streckte ei-ne Hand aus, ihr langes Kleid bildete einen samtigen Pfuhl um sie herum. Daguerreotype tappte gerade so weit heran, dass sie ihn berühren konnte, und begann dann, ihre Finger zu lecken.
    Der Geist der Katze schmeckte beunruhigt, als ob jemand in sein winziges Königreich eingedrungen wäre, und zwar erst kürzlich, sodass sich seine verwirrte kleine Seele noch nicht wieder beruhigt hatte.
    Melissa erhob sich aus ihrer gebückten Haltung und schmeckte die Luft. Etwas Beißendes und Verängstigtes ging vom Schreibtisch aus. Sie bahnte sich einen Weg durch die Unordnung und entdeckte die Quelle des Geschmacks, die in einem Mondlichtflecken schimmerte. Schlagkräftig Unbarmherzige Arglistigkeit hatte das Holz des Schreibtisches gespalten und wartete hier auf sie. Sie hatte ihn Rex in der Woche vor Schulanfang gegeben – einen Brieföffner, jenes alberne Zwischending zwischen einem Messer und einem Bürogerät.
    Ihre Hand umschloss ihn, und ein Schatten seines Geistes strömte in ihren hinein – panisch und verängstigt, verfolgt in seinem eigenen Haus, mit der Gewissheit, dass ihm ein schreckliches Schicksal bevorstand, falls er geschnappt wurde.
    Sie waren hier, bereits im Haus, schlichen durch die Finsternis, um ihn einzukreisen und mitzunehmen. Die

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