Das Echo aller Furcht
sich noch ein Bier und starrte hinaus auf das kobaltblaue Meer unterm klaren Himmel. Am Horizont zogen Schiffe vorbei, darunter ein Kriegsschiff, dessen Nationalität er über die Entfernung nicht feststellen konnte. Die anderen waren einfache Frachter, unterwegs von einem unbekannten Hafen zum anderen.
Es war ein warmer, sonniger Tag mit einer kühlen Seebrise. Am nahen hellbraunen Sandstrand hatten Kinder und Pärchen ihren Spaß im Wasser. Er mußte an Petra, Erika und Ursel denken, aber niemand konnte ihm das ansehen. Die erste heftige Reaktion auf den Verlust hatte er hinter sich, das Weinen und Toben; geblieben waren tiefsitzende Gefühle wie kalte Wut und Rachegelüste. Es war ein herrlicher Tag, aber er hatte niemanden, mit dem zusammen er ihn hätte genießen können, und er würde auch die schönen Tage der Zukunft, sollten sie denn kommen, allein verbringen müssen. Für Petra gab es keinen Ersatz. Vielleicht fand er hier ein Mädchen, das er benutzen konnte, um quasi seinen Hormonhaushalt zu regulieren, aber das konnte auch nichts ändern. Kein angenehmer Gedanke. Keine Liebe, keine Kinder, keine Zukunft. Die Bar auf der Terrasse war ungefähr halb voll, vorwiegend besucht von europäischen Urlaubern und ihren Familien, die lächelnd Keo-Bier, Wein oder Brandy sour tranken und schon an das Unterhaltungsprogramm des Abends dachten, intime Dinners und anschließend die kühlen Laken, Lachen und Zuneigung – alles Dinge, die das Leben Günther Bock verwehrt hatte.
Er saß für sich und haßte seine Umgebung, musterte die Szene, als betrachte er die Tiere im Zoo. Bock verabscheute die Touristen, weil sie lachten, lächelten und ... eine Zukunft hatten. Es war einfach ungerecht. Er hatte eine Lebensaufgabe gehabt, ein Ziel, für das er gekämpft hatte. Diese Leute hatten bloß einen Beruf. Fünfzig Wochen im Jahr fuhren sie morgens zu ihrer unwichtigen Arbeit und erfüllten ihre unwichtige Funktion, um nachmittags wieder nach Hause zurückzukehren, und wie die meisten Europäer sparten sie für den alljährlichen Urlaubsspaß in der Ägäis, auf Mallorca, in Florida oder wo immer es sonst Sonne, saubere Luft und Strand gab. Ihr Leben mochte sinnlos sein, aber sie waren glücklich – anders als der einsame Mann, der unter einem weißen Sonnenschirm saß, aufs Meer hinausschaute und sein Bier trank. Ausgesprochen ungerecht. Er hatte sein Leben ihrem Wohlergehen gewidmet - und nun genossen sie, was er für sich im Sinn gehabt hatte, während ihm nichts geblieben war.
Außer seiner Mission.
Bock beschloß, sich auch bei diesem Thema nichts vorzumachen. Er haßte sie, alle miteinander. Warum sollten sie eine Zukunft haben, wenn er keine hatte? Er haßte sie, weil sie ihn und Petra und Kati und alle anderen, die gegen Unrecht und Unterdrückung kämpften, abgelehnt und damit das Böse dem Guten vorgezogen hatten. Ich bin mehr als sie, dachte Bock, und besser, als sie jemals hoffen könnten zu sein. Er konnte auf sie und ihr belangloses Leben herabschauen, und was er ihnen antat – in ihrem Interesse, wie er nach wie vor glaubte –, war allein seine Entscheidung. Pech, wenn einige dabei zu Schaden kamen. Es waren ja keine richtigen Menschen, sondern nur Schatten der Persönlichkeiten, die sie gewesen wären, wenn sie ihr Leben einer Sache gewidmet hätten. Nein, sie hatten nicht ihn ausgestoßen, sondern sich selbst, weil ihnen das faule, bequeme Leben lieber war. Wie Rindviecher, dachte Bock, oder wie Säue, und er stellte sie sich schmatzend und grunzend am Trog vor. Sollte er sich verrückt machen, nur weil einige von ihnen etwas früher als vorgesehen würden sterben müssen? fragte sich Günther. Ach wo, unwichtig, entschied er.
»Mister President ...«
»Ja, Elizabeth?« erwiderte Fowler und lachte leise.
»Wann hat man dir zum letzten Mal gesagt, daß du ein guter Liebhaber bist?«
»Im Kabinett bestimmt nicht.« Ihr Kopf lag auf seiner Brust, und er streichelte ihr blondes Haar. Stimmt ja auch, dachte der Präsident, ich mache das wirklich ziemlich gut. Er hatte Geduld, und das war seiner Ansicht nach bei dieser Beschäftigung das wichtigste Talent. Trotz Emanzipation und Gleichberechtigung war es die Aufgabe des Mannes, einer Frau das Gefühl zu geben, daß sie geliebt und respektiert wurde. »Und auch nicht bei Pressekonferenzen.«
»Gut, dann hörst du es von deiner Sicherheitsberaterin.«
»Danke für das Kompliment, Frau Doktor Elliot.« Beide lachten herzhaft. Elizabeth hob den
Weitere Kostenlose Bücher