Das Echo aller Furcht
Costello, NORAD Aufklärung. Der Zeitpunkt könnte nicht günstiger sein. Der Satellit wird dicht an vier Regimenter herankommen und auf einem Kurs von Süden nach Norden Schangis Tobe, Alejsk, Uschur und Gladkaja aufnehmen. Dort sind mit Ausnahme von Gladkaja, wo alte SS- 11 stehen, SS- 18 stationiert. Sir, Alejsk gehört zu den Basen, die eigentlich geschlossen werden sollten, aber noch immer ...«
Der Morgenhimmel über Alejsk war klar. Über dem Nordosthorizont wurde es hell, aber die Soldaten der strategischen Raketenstreitkräfte achteten nicht darauf. Sie lagen um Wochen hinter dem Zeitplan zurück und hatten nun den Befehl, den Rückstand wettzumachen. Daß solche Befehle praktisch unausführbar waren, tat nichts zur Sache. Neben jedem der 40 Raketensilos stand ein schwerer Sattelschlepper. Die SS-18 – die bei den Russen übrigens RS-20 heißen, »Rakete, strategisch, Nr. 20« – waren über elf Jahre alt, und deswegen hatten sich die Sowjets auch bereit erklärt, sie abzuschaffen. Ihre Motoren verbrannten flüssigen Treibstoff, gefährliche, korrosive Substanzen – unsymmetrisches Dimethylhydrazin und Distickstofftetroxid –, die nur begrenzt als »lagerfähig« gelten konnten. Sie waren zwar stabiler als Flüssigwasserstoff und -sauerstoff, die gekühlt werden mußten, aber auch hochgiftig und sehr reaktiv. Aus Sicherheitsgründen umgab man die Raketen mit Stahlhüllen, die wie gewaltige Gewehrpatronen in die Silos geladen wurden, um die empfindliche Elektronik vor den Chemikalien zu schützen. Daß sich die Sowjets überhaupt mit solchen Systemen abgaben, hatte seinen Grund nicht, wie amerikanische Geheimdienstler murrten, in der höheren Leistungsabgabe, sondern war auf die Unfähigkeit der Sowjets, einen zuverlässigen und starken Feststoff zu entwickeln, zurückzuführen. Abhilfe hatte erst die neue Feststoffrakete SS-25 geschaffen. Die SS-18, die den ominösen Nato-Code »SATAN« trug, war unbestreitbar groß und leistungsfähig, aber ein bösartiges, schwer zu wartendes Ungeheuer, dem die Mannschaften nur zu gerne den Rücken kehrten. Mehr als ein Soldat der strategischen Raketenstreitkräfte war bei Übungs- oder Instandhaltungsunfällen ums Leben gekommen, und auch in Amerika hatte die vergleichbare Titan-II Todesopfer gefordert. Alle Raketen der Anlage Alejsk waren für die Vernichtung bestimmt, und das war auch der Grund für die Anwesenheit der Männer und der Lkws. Erst aber mußten die Gefechtsköpfe entfernt werden. Inspekteure der Amerikaner konnten bei der Zerstörung der Raketen zusehen, aber die Sprengköpfe selbst waren immer noch streng geheim. Unter dem aufmerksamen Blick eines Obersten wurde die Nasenverkleidung der Rakete Nr. 31 mit Hilfe eines kleinen Krans entfernt, so daß die MIRV sichtbar wurden. Diese konischen »individuell lenkbaren Wiedereintritts-Gefechtskörper« maßen an der Basis 40 Zentimeter und liefen in 150 Zentimeter Höhe nadelspitz aus. Jede dieser Einheiten enthielt eine dreiphasige Wasserstoffbombe mit einer Sprengleistung von einer halben Megatonne. Die Soldaten brachten den MIRV allen gebührenden Respekt entgegen.
»Ah, nun gehen Bilder ein«, hörte Fowler Major Costello sagen. »Kaum Aktivität. . . Sir, wir isolieren nur diejenigen Silos, die wir am besten sehen können – die Anlage befindet sich in dichtem Wald, Mr. President, doch der Blickwinkel des Satelliten verrät uns, welche wir am deutlichsten erkennen können ... aha, da ist ein Silo, Tobe 05 ... nichts Ungewöhnliches ... dort befindet sich der Befehlsbunker ... ich kann die Wachposten sehen ... fünf, nein, sieben Personen. Da es dort sehr kalt ist, kann man sie im Infrarotspektrum gut erkennen, Sir. Sonst nichts ... alles normal, Sir. Okay, jetzt kommt die Anlage Alejsk ins Bild – Himmel noch mal!«
»Was ist?«
»Sir, wir haben vier Kameras auf vier verschiedene Silos gerichtet...«
»Das sind Wartungs-Lkws«, sagte General Fremont aus der SAC-Befehlszentrale. »Lkws an allen vier Silos. Siloklappen offen, Mr. President.«
»Was hat das zu bedeuten?«
Costello antwortete: »Sir, das sind alte Raketen, SS-18 Mod 2, die inzwischen eigentlich außer Dienst gestellt sein sollten, aber noch aktiv sind. Wir haben nun fünf Silos in Sicht; an allen stehen Fahrzeuge. In zwei Fällen kann ich Leute erkennen, die an den Raketen hantieren.«
»Was ist ein Wartungs-Lkw?« fragte Liz Elliot.
»Mit diesen Fahrzeugen transportiert man die Raketen. Sie haben auch alles
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