Das Echo aller Furcht
D’Agustino, Spitzname »Daga« ein, eine Leibwächterin des Präsidenten, die sich nach einem Sitzungstag auf dem Korridor die Beine vertreten hatte.
»Shit!« Bei diesem Kommentar hatte sie auch schon ihren Dienstrevolver gezogen. Noch nie im Leben hatte sie so viel Blut gesehen. Es war aus Aldens rechtem Ohr geflossen und hatte auf dem Schreibtisch eine Lache gebildet. Sie gab über ihr Funkgerät Alarm; das mußte ein Kopfschuß sein. Über den Lauf ihrer Smith & Wesson Modell 19 hinweg suchten ihre scharfen Augen den Raum ab. Die Fenster waren okay. Sie huschte durchs Zimmer. Niemand da. Was war passiert?
Sie tastete mit der Linken nach Aldens Halsschlagader. Natürlich kein Puls. Inzwischen waren draußen alle Ausgänge des Weißen Hauses blockiert worden. Agenten hatten die Waffen gezogen, Besucher erstarrten vor Schreck. Beamte des Secret Service suchten das ganze Gebäude ab.
»Verdammt!« rief Pete Connor beim Eintreten.
»Suchaktion abgeschlossen!« sagte eine Stimme in ihren Hörmuscheln. »Gebäude sauber, HAWK sicher.« »Hawk«, Falke, war der Codename des Secret Service für den Präsidenten. Die Leibwächter stellten damit ihren traditionellen Sinn für Humor unter Beweis, denn Fowler, dessen Name die Assoziation »Vogel« weckte, war als Politiker eher eine Taube.
»Krankenwagen kommt in zwei Minuten!« fügte das Kommunikationszentrum hinzu. Eine Ambulanz konnte rascher besorgt werden als ein Hubschrauber.
»Ruhig, Daga«, sagte Connor. »Ich glaube, der Mann hatte einen Schlaganfall.«
»Platz da!« rief ein Sanitäter von der Marine. Natürlich waren die Secret-Service-Agenten in Erster Hilfe ausgebildet, aber im Weißen Haus stand immer ein Ärzteteam in Bereitschaft, und der Sanitäter war als erster zur Stelle. Er hatte eine Feldverbandstasche dabei, öffnete sie aber gar nicht erst, denn die Lache von bereits geronnenem Blut auf dem Schreibtisch war zu groß. Der Sanitäter bewegte die Leiche nicht – er befand sich unter Umständen am Schauplatz eines Verbrechens und hatte vom Secret Service für solche Fälle Verhaltensmaßregeln bekommen. Das Blut war zum größten Teil aus Aldens rechtem Ohr ausgetreten, aber auch aus dem linken lief ein Rinnsal, und das Gesicht zeigte schon die typische Leichenblässe. Die Diagnose fiel ihm nicht schwer.
»Tja, Leute, der ist schon seit fast einer Stunde tot. Gehirnblutung, schätze ich, Schlaganfall. Litt er unter hohem Blutdruck?«
»Ja, ich glaube schon«, meinte Special Agent D’Agustino nach kurzem Zögern.
»Sicher kann man natürlich erst nach der Obduktion sein, aber für mich ist die Todesursache Schlaganfall.«
Nun traf ein Arzt der Navy ein, der die Diagnose des Sanitäters bestätigte.
»Hier Connor. Die Leute von der Ambulanz brauchen sich nicht zu beeilen. PILGRIM ist tot; natürliche Ursache«, gab der leitende Agent über Funk weiter. »Wiederhole: PILGRIM ist tot.«
Selbstverständlich würde die Leiche bei der Obduktion auch auf andere Todesursachen untersucht werden, Gift zum Beispiel, oder kontaminierte Speisen oder Getränke. Im Weißen Haus wurden allerdings regelmäßig Stichproben genommen. D’Agustino und Connor tauschten die Blicke. Jawohl, Alden hatte unter hohem Blutdruck gelitten und heute einen ganz besonders schlechten Tag gehabt.
»Wie geht’s ihm?« HAWK, der Präsident selbst, drängte sich, umringt von Agenten, durch die Tür, dicht gefolgt von Dr. Elliot. D’Agustino ging auf, daß sie sich nun einen neuen Codenamen einfallen lassen mußten, und sie erwog HARPYIE. Alle Leibwächter konnten E. E. nicht ausstehen, aber es war nicht ihre Aufgabe, ihre Schutzbefohlenen sympathisch zu finden – das galt selbst für den Präsidenten.
»Er ist tot, Mr. President«, sagte der Arzt. »Offenbar ein schwerer Schlaganfall.«
Der Präsident nahm die Nachricht ohne sichtbare Zeichen der Bewegung auf. Die Leibwächter wußten, daß seine Frau nach jahrelangem Leiden an Multipler Sklerose gestorben war; das mußte Fowler, damals noch Gouverneur von Ohio, seelisch schwer belastet haben. Ob der Mann emotional ausgebrannt ist? fragten sie sich. Jedenfalls ließ er sich kaum etwas anmerken. Er schnalzte mit der Zunge, zog eine Grimasse, schüttelte den Kopf und wandte sich dann ab.
Liz Elliot trat an seine Stelle und lugte einem Agenten über die Schulter. Helen D’Agustino beobachtete ihr Gesicht, als sie sich vordrängte. Die neue Sicherheitsberaterin wurde blaß unter der Schminke. Kein Wunder, dachte
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