Das Echo der Flüsterer
Astes eine dicke Schicht Harz klebte. Vielleicht konnte er… Schnell bückte er sich zu der Satteltasche, öffnete den Riemen und kramte darin herum. Dann hatte er es gefunden: ein kleines Röhrchen, das zur Standardausrüstung der Bonkas gehörte. Es handelte sich um ein Feuerzeug, das aus zwei aufeinander gesteckten metallischen Röhren bestand. Zog man sie auseinander, brannte im Innern der längeren Röhre eine kleine Flamme, die auch der stärkste Wind nicht löschen konnte. Im Nu hatte Jonas das klebrige Ende seines Prügels in Brand gesteckt. Die Wölfe würden es sich zweimal überlegen, ob sie mit dieser Fackel Bekanntschaft machen wollten.
In diesem Moment hörte er wieder ein Knacken. Es klang ganz anders als das Geräusch von vorhin. Seine Augen suchten die Schatten der Bäume ab, die sich bis etwa fünfzig Fuß an die Felswand herandrängten. Irgendwo aus dieser Richtung musste das helle Krachen gekommen sein. Dann sah Jonas die Augen.
Zuerst war es nur ein einziges Paar. Es blitzte gelb zwischen den Zweigen auf. Doch dann erschienen weitere glimmende Punkte. Die Augen standen weit auseinander. Die Tiere mussten riesenhaft sein!
Aus der Dunkelheit zwischen den mächtigen Stämmen schob sich plötzlich ein massiger Schatten. Entgeistert starrte Jonas auf den riesigen Wolf. Er war mindestens so groß wie Trojan, ein Bernhardiner hätte neben ihm geradezu schmächtig gewirkt.
Trojan tänzelte ein paar Schritte auf den Wolf zu und knurrte gefährlich. Der graue Jäger zeigte sich völlig unbeeindruckt.
Doch nur einen Herzschlag später schoss ein weiterer Wolf – nur wenig kleiner als der erste – unter den Blättern eines Busches hervor und stürzte sich von der Seite auf das Schelpin. Jonas wollte seinem Freund mit der Fackel zu Hilfe eilen, aber Trojan reagierte schneller. Er wirbelte herum und senkte den Kopf. Ehe der Angreifer ausweichen konnte, hatten ihm Trojans spitze Hörner eine empfindliche Wunde in die Flanke gerissen. Heulend zog sich der Wolf in die Schatten zurück.
»Du bist ein Dummkopf, Landas, dich allein auf ein Schelpin zu stürzen.«
Jonas blieb wie vom Donner gerührt stehen. Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und versuchte die Schatten des Waldes zu durchdringen. Wer hatte da eben gesprochen? Er konnte nur den großen Wolf sehen und ringsherum vielleicht ein halbes Dutzend gelber Augenpaare.
»Warst du das eben?«, fragte er zaghaft in Richtung des Grauen.
»Du bist in unser Revier eingedrungen«, antwortete der Wolf knapp, ohne direkt auf Jonas’ Frage einzugehen.
»Ich bin nur auf der Durchreise. Außerdem denke ich nicht, dass ich euch irgendetwas Wertvolles wegnehmen könnte.«
»Das zu entscheiden liegt nicht bei dir, Mensch.«
»Ich heiße Jonas McKenelley.«
»Und mein Name ist Minuq. Ich bin der Leitwolf dieses Rudels und ich werde meine Meute nicht der geringsten Gefahr aussetzen.«
Beunruhigenderweise rückten nun auch die anderen gelben Augen näher. Hier und da sah Jonas die kraftvollen Körper einiger Wölfe aus der Deckung treten. »Gefahr?«, rief er Minuq mit dem Trotz der Verzweiflung entgegen. »Ich weiß gar nicht, weshalb ausgerechnet ich für euch gefährlich sein sollte!«
»Vor einigen Tagen hatten wir schon einmal Besuch in unserem Wald. Es waren Malkits. Sie haben mit ihren Waffen fünf von uns getötet, bevor wir sie fortjagen konnten.«
Jonas musste an Darinas Bericht über Kanthelm denken. »Mit denen habe ich nichts zu tun«, verteidigte er sich.
Ein tiefes Grollen kam aus Trojans Kehle. Es galt einem hochbeinigen Wolf, der sich besonders weit vorgewagt hatte.
Jonas trat einen schnellen Schritt vor und stieß mit der Fackel nach dem Tier. Blitzschnell machte der Wolf kehrt und reihte sich wieder in den Ring seiner Gefährten ein.
»Du kannst uns nicht auf Dauer mit deinem Stecken zurückhalten«, sagte Minuq gelassen. »Er wird bald aufhören zu brennen.«
»Warum lasst ihr mich und mein Schelpin nicht einfach ziehen? Ich bin ein Freund der Tiere.« Jonas wagte eine mutige Behauptung. »Hat etwa sonst schon einmal ein Mensch oder einer vom Kleinen Volk mit euch gesprochen, wie ich es tue?«
Minuq schwieg einen Augenblick. Doch obwohl die folgende Antwort genau Jonas’ Vermutung bestätigte, war sie doch alles andere als beruhigend.
»Du bist tatsächlich ein besonderes Menschenkind, Jonas McKenelley. Die Sprache der Wölfe ist euch Zweibeinern gewöhnlich fremd. Doch dein Anderssein macht dich noch lange nicht zu
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