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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Namen, da war der Alte auch schon verschwunden. Der Junge zuckte mit den Schultern. Mit einem Mal fühlte er sich sehr müde. Da der Platz, an dem er gerade saß, nicht schlechter schien als jeder andere, ließ er sich einfach ins Moos sinken und fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Wenn du mich fragst, für ein Menschenkind ist er ganz niedlich, sagte eine helle Stimme hoch über ihm.
    Dich hat aber niemand gefragt, Kijumina.
    Still, Nubiman und alle anderen auch!, ging Merleander streng dazwischen. Doch dann wurde seine Stimme weich, als er hin zufügte: Wir wollen Jonas noch ein wenig Ruhe gönnen, bevor wir ihn morgen früh erwachen lassen.

 
    DIE GRAUEN
     
     
     
    Er schlug die Augen auf und wusste, dass etwas anders war. Und dieser seltsame Traum, an den er sich gar nicht mehr erinnern konnte…! Jonas massierte seine Schläfen und dachte angestrengt darüber nach, aber ihm wollte beim besten Willen nicht einfallen, was er im Schlaf erlebt hatte. Schließlich seufzte er und gab es auf. Gähnend blickte er sich um. Trojan stand ganz in der Nähe und zupfte an einigen jungen Trieben, die aus dem Boden wuchsen.
    Der Wald wirkte an diesem Morgen ganz verändert. Natürlich, die gewaltigen Baumriesen waren immer noch da. Jetzt bei Tageslicht stellte Jonas sogar fest, dass er unter dem wohl mächtigsten der Stämme sein Nachtlager aufgeschlagen hatte. Doch anders als noch am Abend zuvor bedrückte ihn nicht mehr das Gefühl diesen Wald mit etwas Fremdem zu teilen. Wer immer nun im Schutze der Stämme und grünen Äste zu ihm herüberschauen mochte, meinte es gut mit ihm.
    Ganz in der Nähe des großen Baumes entdeckte er einige Nüsse. Sie lagen so dicht beieinander, als hätte sie dort jemand für ihn hingeworfen. Neugierig knackte er mit zwei Steinen eine der Samenkapseln. Der Inhalt schmeckte ausgesprochen gut, wie eine Mischung aus Wal- und Paranuss mit einer Spur Karamell. Neugierig blickte Jonas in das Astwerk der Bäume empor. Vielleicht steckte dort oben irgendein Eichhörnchen oder ein anderer Waldbewohner, dessen Speisekammer er gerade plünderte.
    Nein, er konnte kein Tier entdecken, das Anspruch auf diesen Schatz erhob. Außerdem würden die Nüsse bestimmt nicht so offen herumliegen, gehörten sie zum Speisevorrat irgendeines Waldbewohners. Froh über das sonderbare Phänomen sammelte Jonas die Nüsse ein und verstaute sie in seiner Satteltasche.
    Mit frischem Mut bestieg er kurz darauf Trojans Rücken und verließ den mächtigen Baum, der seinen Schlaf so gut behütet hatte.
    Die folgenden Stunden verflogen wie flüchtiger Morgennebel. Der Wald hatte so viel zu bieten, dass Jonas sich daran kaum satt sehen konnte. Da gab es nicht nur die allgegenwärtigen hohen Baumriesen, er entdeckte auch Lichtungen mit fremdartigen wunderschönen Blumen, sah Sträucher mit grellen gelben Blättern, kleinere Bäume mit leuchtend roten Nadeln.
    Immer häufiger traf er auch auf Tiere. Es schien, als hätte der Wald mit einem Mal Vertrauen zu ihm gefasst. Er erblickte Kaninchen, Maulwürfe, einen Fuchs, ein Geschöpf mit dem Körper einer Katze und den Flügeln einer Fledermaus, vielfarbige Frösche, Schmetterlinge von der Größe von Atlanten und vieles, vieles mehr.
    Wenn er nicht ständig an seine Gefährten hätte denken müssen, wäre Jonas wohl ebenso von diesem Wald verzaubert worden wie zu Hause von den Everglades bei einem morgendlichen Spaziergang.
    Mittags rastete Jonas an einem Wildbach, der donnernd durch den Wald schoss. An einer seichten Stelle konnte er Forellen im Wasser stehen sehen, aber er dachte nicht daran, die Fische zu fangen. Hier auf Azon hatte er noch nie einen Bonka Fleisch essen sehen. Alles Leben schien dem Kleinen Volk heilig zu sein. Und das war in Jonas’ Augen auch gut so.
    Die üppige Natur bot Nahrung genug, man musste nur richtig hinsehen. Jonas konnte richtig hinsehen. Er fand Beeren und Nüsse, Pilze und fremdartige Früchte. Während seiner Rast zündete er ein kleines Lagerfeuer an und erhitzte darin einige flache Steine aus dem Bach. Als die Kiesel heiß genug waren, stieß er sie mit einem Stock aus dem Feuer und legte anschließend einige der Pilze darauf, die er unterwegs gesammelt hatte. Zum Schluss streute er ein paar Kräuter auf die gegarten Scheiben und ließ sich sein Mittagsmahl schmecken.
    »Nicht wahr, Trojan, wir werden nicht verhungern«, sagte er zu dem Schelpin, das ihm gerade eine seiner Nüsse stibitzt hatte.
    »Ook, ook, oook.«
    »Richtig so.

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