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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Eine positive Grundeinstellung ist die beste Voraussetzung für einen erfolgreichen Tag.«
    Am Nachmittag bahnte sich Trojan mit sicherem Schritt seinen Weg durch ein endlos scheinendes Meer aus Bäumen, Büschen und Farnen. Jonas fiel auf, dass das Gelände nun leicht anstieg. Möglicherweise näherten sie sich einem weiteren Gebirgszug, aber der Wald war zu hoch und zu dicht, um sich darüber Klarheit verschaffen zu können.
    Als das Tageslicht langsam seinen Rückzug antrat, wurde Trojan von einem Geräusch aufgestört. Es handelte sich um ein lang gezogenes Heulen.
    »Wölfe?« Jonas hatte nur laut gedacht. Er erinnerte sich, dass Kraark einmal von Wölfen gesprochen hatte. In den Legenden der Menschen waren diese grauen Jäger zumeist die Verkörperung des Bösen. Obwohl Jonas gewöhnlich nicht sehr viel auf solche entstellenden Erzählungen gab, alarmierte ihn Trojans Verhalten doch.
    Das Schelpin war abrupt stehen geblieben. Nur die flauschigen Ohren bewegten sich nervös.
    Da! Wieder das Heulen. Trojan stieß ein tiefes grollendes Knurren aus.
    Beruhigend tätschelte Jonas den Hals des treuen Tieres und flüsterte: »Sollte es irgendeine Gefahr geben, dann hätte ich nichts dagegen, wenn du ab jetzt die Führung übernimmst.«
    Als hätte Trojan jedes einzelne Wort verstanden, begann er loszulaufen. Erst sprang er wie zur Orientierung einige Schritte nach links, dann wieder nach rechts und als ein erneutes Heulen durch den Wald hallte, schoss er wie ein Blitz davon.
    Jonas konnte sich nur mit Mühe auf dem Rücken seines Schelpins halten. Das lag zum einen daran, dass Trojan ständig Haken schlug, um Felsen, Wurzeln und Erdlöchern auszuweichen, und zum anderen musste sich Jonas immer wieder schnell unter tief hängenden Ästen hindurchbücken.
    Die Rufe der Wölfe kamen näher. Jetzt wusste Jonas, dass dies keine zufällige Begegnung war. Die grauen Jäger verfolgten ihn. Er hatte keine Angst. Nicht wirklich. Noch nie hatte ihm ein Tier ernsthaften Schaden zugefügt. Aber dennoch stiegen unangenehme Fragen in ihm hoch. Sollten all die Märchen vom bösen Wolf doch nicht so abwegig sein? War es möglich, dass den Wölfen auf Azon die natürliche Scheu vor dem Menschen fehlte, weil sie ihn einfach nicht kannten?
    Der Wald wurde immer finsterer. Sie haben sich für ihre Jagd die richtige Tageszeit ausgesucht, dachte Jonas. Bald würde es stockdunkel sein. Die Wölfe hatten nun aufgehört zu heulen. Dafür glaubte Jonas ihre Nähe zu spüren, so wie er am Abend zuvor die Gegenwart von etwas Fremden gefühlt hatte. Trojan galoppierte gerade unterhalb einer steil aufragenden Felswand entlang, als dem Jungen schlagartig klar wurde, dass er sich jetzt den Wölfen stellen musste.
    Er zerrte heftig an den Zügeln und Trojan blieb hechelnd stehen. Das schwindende Tageslicht war noch sein Verbündeter. Wollten die Wölfe ihn wirklich angreifen, dann musste Jonas ihnen entgegentreten, solange er noch etwas sehen konnte. Er sprang vom Rücken seines Reittieres und löste schnell die Gurte des Sattels. Hatte Kraark nicht erzählt, dass die Schelpins äußerst wehrhafte Tiere waren?
    »Jetzt kannst du beweisen, was in dir steckt«, sagte er zu Trojan. Der Bock brauchte volle Bewegungsfreiheit, wenn er seinem Herrn beistehen sollte. Jonas klopfte dem wolligen Freund aufmunternd den Hals. »Jetzt kann dich nichts mehr behindern, Trojan. Bleib hier, wenn du für mich kämpfen willst. Und sollte mir was zustoßen, dann bring dich selbst in Sicherheit.«
    »Ook, ook, oook.«
    »Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.«
    Ein Knacken lenkte Jonas’ Blick direkt nach oben. Er schaute an der steilen Felswand empor, die aus vier oder fünf Lagen riesiger rundgeschliffener Steine bestand, wie zu einer Mauer aufgeschichtet. Zuerst hatte er befürchtet, ein Wolf könne sich da oben befinden, aber was nun auf ihn zugestürzt kam, überraschte ihn doch: Knallend schlug neben seinen Füßen ein schwerer Knüppel auf. Verdutzt bückte sich Jonas nach dem dicken Ast. Er legte den Kopf in den Nacken und sah wieder nach oben. Ein Baum ragte über der Felswand auf. Der Ast musste von ihm abgebrochen sein. Jonas wog den Knüppel in der Hand. Er hatte genau die richtige Länge und das passende Gewicht.
    »Vielen Dank, Baum, für den prächtigen Prügel«, rief er die Wand empor.
    Die Blätter des Baumes raschelten im Wind. Seltsam, dass hier unten kein einziges Lüftchen geht, dachte Jonas noch. Da bemerkte er, dass an der Bruchstelle des

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