Das Echo der Flüsterer
ausrichten zu können, muss man sie bereits vorher kennen«, erklärte Jonas’ Vater Lischka und Ximon, die rechts und links neben ihm Platz genommen hatten. »Es mag also notwendig sein, dass auch ihr beide ab und an in den Spiegel blickt, damit wir an Menschen herankommen, die uns weiterhelfen können. In diesem Gestell hier lässt er sich drehen und kippen, wie ihr es gerade braucht. Ich schlage vor, wir fangen beim Stab des Weißen Hauses an. Die Berater des Präsidenten sind immer für eine Überraschung gut.«
Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden.
»Fein«, erklärte Robert, »ich habe zunächst an McGeorge Bundy gedacht. Er berät Kennedy in Angelegenheiten der nationalen Sicherheit.«
»Gute Idee«, lobte Ximon. »Ich kenne Bundy, obwohl ich noch nie persönlich zu ihm geflüstert habe.«
Was nun geschah, war für Jonas beunruhigend und faszinierend zugleich. Er hatte ja die Höhle der Flüsterer gesehen und war mit den blauen Facetten, die Bilder von Menschen zeigten, durchaus vertraut. Während die Höhle einem großen Kontrollzentrum geglichen hatte, in dem die Kleinen das Leben der Menschen auf tausenden von Bildschirmen verfolgten, war dieser Spiegel aus zusammengekitteten Kristallscherben eher mit einem unheimlich starken Fernrohr zu vergleichen. Man musste ihn nur auf eine bestimmte Stelle richten und schon erschien das, wonach man suchte. Das Erstaunlichste an Keldins Spiegel war jedoch der Umstand, dass mit ihm nicht Orte, sondern Personen fokussiert werden konnten. Egal, wo sich der Gesuchte auch befand, der Spiegel zeigte ihn, sobald man nur intensiv genug an den jeweiligen Menschen dachte.
Langsam kam Bewegung in die dunkle Tiefe des kristallenen
Glases. Jonas hatte das Gefühl, in einen Strudel zu schauen, jenem nicht unähnlich, der ihn über dem Bermudadreieck verschluckt hatte. Dann wurde das Bild plötzlich völlig klar. Erstaunt blickte Jonas in ein Büro. An der Wand hing ein Abreißkalender und auf ihm stand:
Montag
15
Oktober
Ein Mann, ungefähr Mitte vierzig, in dunklem Anzug, weißem Hemd und Krawatte saß hinter einem Schreibtisch und sprach mit einem anderen ihm gegenüber, von dem man nur den Rücken und den kurz rasierten Hinterkopf sehen konnte.
»Ich habe Ihnen von Anfang an gesagt, dass die Jungs vom CIA verschnupft reagieren werden, wenn wir ihnen die Aufklärungsflüge über Kuba wegnehmen. Gibt es schon irgendwelche Ergebnisse vom Strategic Air Command, Theo?«
Der andere Mann schüttelte den Kopf. »Die Air Force hat ja erst gestern ihren ersten Aufklärungsflug absolviert. Major Richard Heyser hatte Glück. Kurz bevor er gestern früh den Westen der Insel von Nord nach Süd überflog, gab es einen tropischen Sturm. Er hat die Wolkendecke über Kuba aufgerissen. Wir rechnen mit kristallklaren Bildern.«
»Schön. Wann wird die Auswertung fertig sein?«
»Ich schätze, heute Nachmittag. Heysers Fotos sind dazu gerade im National Photographic Interpretation Center.«
»Heizen Sie den Jungs ordentlich ein, Theo. Ich habe irgendwie ein komisches Gefühl, was unsere Zuckerinsel betrifft. Sollte sich etwas Neues ergeben, dann rufen sie mich an. Jederzeit! Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
»Deutlicher geht es nicht, Sir.«
Das Bild im Spiegel begann zu verschwimmen, bis der Rahmen wieder vollständig in Dunkel getaucht war.
»Du verstehst es, deine Angel auszuwerfen«, sagte Ximon staunend. »Wir könnten dich gut als Flüsterer gebrauchen, Robin.«
Jonas’ Vater lächelte bescheiden. »Reine Übungssache. Wenn ich den guten McGeorge richtig verstanden habe, dann weiß er noch immer nichts von den kubanischen Raketen. Was mir allerdings Sorgen macht, ist diese Ahnung, die er hat. Ob die Malkits dafür gesorgt haben, dass dem CIA von der Air Force die Erkundungsflüge abgenommen wurden? Sollten die Stellungen jetzt entdeckt werden, dann wäre das so, als würde man eine unheimlich kurze Lunte an einem ziemlich großen Pulverfass anzünden.«
»Dein Verdacht könnte durchaus ins Schwarze treffen«, sagte Lischka. »Kannst du feststellen, ob diese… diese Auswerter schon etwas gefunden haben?«
Robert schüttelte den Kopf. »Leider kenne ich niemanden in der fotografischen Auswertungsstelle und damit haben wir auch keine Möglichkeit den Analytikern des NPIC auf die Finger zu schauen. Allerdings kenne ich im CIA einen hohen Beamten. Wenn die Bildergucker vom NPIC schon irgendetwas entdeckt haben, dann müsste er es wissen.«
»Dann sehen wir
Weitere Kostenlose Bücher