Das Echo der Flüsterer
Ernst!«
Darina legte Jonas die Hand auf den Arm. »Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, das zu verhindern, dann werde ich den Bonkas diesen Gang ersparen.«
»Den Bonkas? Wenn du gehst, dann komme ich natürlich mit.«
»Lass uns erst den Streit zwischen Adler, Bär und Moskito schlichten, Jonas. Das ist zunächst wichtiger.«
»Aber…« Der Junge konnte nicht so einfach vergessen, was Darina gesagt hatte. »Ist es überhaupt möglich, in das Land der Malkits zu gelangen?«
Die Wissende wurde mit einem Mal sehr ernst. Sie strich sich eine goldene Strähne aus dem Gesicht. »Es gibt einen Weg.
Aber ehe wir diesen gehen, muss unsere Verzweiflung noch viel größer werden.«
Am nächsten Morgen gingen Jonas’ Vater und die beiden Flüsterer wieder zur nun fast schon Routine gewordenen Arbeit am Spiegel über. Jeder wollte wissen, was geschehen war, seit der Gorrmack sie am Blick in Keldins Spiegel gehindert hatte. Würden die Stimmen, die eine gemäßigtere Vorgehensweise anmahnten, die Oberhand gewinnen? Vor allem der Außenminister Robert McNamara schien ja auf die Einflüsterungen Ximons angesprochen zu haben.
Lange bevor sich Kennedys Krisenstab am späten Vormittag erneut zusammenfand, gelang es Ximon, einen weiteren Mann nachdenklich zu stimmen. Es handelte sich dabei um Adlai E. Stevenson, den Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen. Im Jahre 1956 hatte sich Kennedy unter diesem gewieften Politiker um das Amt des Vizepräsidenten beworben. Obgleich die Wähler sich damals anders entschieden, bestand, wie Ximon erläuterte, seitdem ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Männern.
Stevenson setzte sich an seinen Schreibtisch und begann an einem Text zu arbeiten. Er verfasste ein Memorandum an den Präsidenten, in dem er unmissverständlich darlegte, dass in den Augen der Welt die US-Stützpunkte in der Türkei mit denen der UdSSR auf Kuba gleichzusetzen waren. »Wir können nicht mit einer Pistole an der Schläfe verhandeln… Ich habe das Gefühl, Sie sollten klarstellen, dass die Existenz von nuklearen Raketenstützpunkten überall ein Verhandlungsgegenstand ist.«
Damit waren die wichtigsten Punkte von Ximons geflüstertem Rat in die Mitteilung eingeflossen. Nicht zuletzt Jonas hatte sich in seiner Empörung über die Doppelmoral seines Landes dafür eingesetzt, dass wenigstens einer von Kennedys Vertrauten ihm in dieser Angelegenheit einmal klipp und klar die Meinung sagte – Jonas’ Meinung, um genau zu sein. Für einen einfachen Jungen aus Florida war es ziemlich schwer zu verstehen, weshalb im Exekutivkomitee unablässig von sowjetischen
Offensivwaffen gesprochen wurde, während man gleichzeitig die Stationierung von amerikanischen Jupiterraketen in Italien und der Türkei als rein defensive Maßnahme ausgab. Mit welchem Recht unterstellte man dem Bären Angriffslust, wo doch der Adler, als Friedenstaube getarnt, sich mindestens ebenso aggressiv verhielt?
Als Kennedy das Memorandum Stevensons am frühen Morgen des 17. Oktober las, wirkte er unentschlossen. Sein Sicherheitsberater McGeorge Bundy war bei ihm.
»Was schreibt unser Botschafter, Mr. President?«
Kennedy nahm die Lesebrille ab und blickte ernst zu Bundy auf. Er schätzte den gelernten Historiker sehr, den er einst von der Harvard-Universität weggelockt hatte, wo er an der Fakultät für Kunst und Wissenschaft als Dekan tätig gewesen war. »Adlai empfiehlt die Entsendung persönlicher Emissäre zu Fidel Castro und Chruschtschow.«
»Vielleicht sollten wir über diesen Vorschlag nachdenken, Sir, ohne unsere anderen Optionen aufzugeben. Die Fotos, die wir gestern gesehen haben, verraten noch nicht viel, zu wenig, um uns definitiv auf einen Luftangriff festzulegen.«
Zufrieden ließ Jonas’ Vater das Bild des Präsidenten verschwinden. »Dein Flüstern in Stevensons Ohr war ein voller Erfolg, Ximon.«
»Freuen wir uns nicht zu früh. Wenn nachher wieder die Sitzung beginnt, werden wir wissen, wie schwer die Argumente des UN-Botschafters wirklich wiegen. Ich halte es für sinnvoll, auch noch beim Verteidigungsminister vorbeizuschauen. Vielleicht kann ich ihn etwas in seinem Beschluss bestärken, für eine weniger aggressive Vorgehensweise einzutreten.«
Jonas’ Vater schob dem Flüsterer den Spiegel hin. Das Gestell, in dem der Goldrahmen so lange gehangen hatte, war zusammen mit dem ganzen Lapislazulipalast unter dem Körper des Gorrmacks zermalmt worden. Weil Keldins Spiegel zu schwer war, um ihn
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