Das Echo der Flüsterer
dass wir nicht alle Menschen kennen, die uns helfen könnten die Gefahr einzudämmen«, erklärte Lischka geduldig.
Ximon bestätigte diesen Standpunkt. »Es sind zwar nur wenige direkt mit der Krise befasst. Aber selbst diejenigen, die nicht wissen, was sich da auf der Erde zusammenbraut, könnten einen entscheidenden Beitrag zur Entspannung der Lage leisten.«
»Wie meinst du das?«, fragte Jonas.
Sein Vater legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ximon denkt, dass auch Geheimdienstleute, die Piloten der U-2-Flugzeuge oder irgendein Analytiker in einem tiefen Keller durch eine wichtige Entdeckung den Sturzflug des Adlers bremsen könnten. Ich muss ihm und Lischka Recht geben, wir können nicht alle Rädchen in diesem großen Uhrwerk mit unserem Rat erreichen.«
»Heißt das, früher oder später wird sowieso etwas schief gehen?«
»Genau das möchten wir verhindern«, meldete sich Darinas sanfte Stimme. »Vielleicht gibt es einen Weg, den Flüsterern der Bonkas zu helfen.« Alle sahen das Mädchen erstaunt an. Sie lächelte. »Alle Bilder aus dem Zwieland sind in meinem Geist ebenso schwach wie die Erinnerung aus dem Innern der Spiegelregion. Aber ich glaube, dass wir ins Land der Bonkas zurückkehren können.«
»Wir wären dann also in der Lage alle Flüsterer in der großen Höhle für diese eine Aufgabe einzuspannen!«, freute sich Lischka.
»Vergiss nicht, dass nur wenige Personen, auf die unsere Facetten dort gerichtet sind, irgendeinen Einfluss auf die Krise nehmen können«, erinnerte ihn Ximon zweifelnd.
»Denkst du an den Weg, den Bob und ich genommen haben, als wir ins Zwieland kamen?«, wandte sich Sarah an Darina.
»Nein, Saphirah. Ich möchte nicht noch einmal daran schuld sein, dass einer von meinen Freunden in der Spiegelregion sein Leben verliert. Ich bin überzeugt, dass es noch einen anderen Weg gibt.«
»Kannst du ihn uns beschreiben?«, fragte Nabin. Der Oberälteste hatte der Sitzung seit den frühen Morgenstunden beigewohnt.
»Er muss sich irgendwo in dem Canon befinden, den ihr die Juwelenschlucht nennt. Dort muss es eine Höhle geben, die dicht an das Herz des blauen Kristalls heranführt. Wenn ihr es euch genau überlegt, dann klingt durchaus einleuchtend, was ich in meinem Gedächtnis zu sehen glaube: Nicht nur die Heimat der Bonkas und der Malkits ist durch einen Weg miteinander verbunden, sondern auch das Zwieland mit den anderen Gebieten. Es muss einen Scheideweg geben, der in alle drei Richtungen führt.«
»Die einzige Verbindung zwischen unserem Land und dem der Malkits ist seit Urzeiten durch den Kimbaroth unterbrochen«, wandte Mangaar skeptisch ein.
Darina erwiderte seinen Blick, ohne etwas zu sagen.
»Du willst doch nicht etwa…?«
»Der ›Vorhang der ewigen Trennung‹ stellt, wie du sagst, den einzigen Weg dar.«
Jonas erinnerte sich an Darinas Worte der vergangenen Nacht. Ob sie an denselben Tunnel gedacht hatte, als sie von dem Gang ins Land der Malkits sprach, den sie ihrem Volk, wenn möglich, ersparen wollte? »Sagen eure Legenden nicht, die Hängenden Berge würden zusammenstürzen, wenn je einer versuchte den Vorhang Schamakhs zu zerreißen?«
Ein spitzbübisches Funkeln trat in Darinas Augen. »Wer behauptet denn, dass wir das Gespinst von Schamakh dem Weber zerstören wollen?«
Als sich am Abend der Große Rat versammelte, blickte Jonas in ausnahmslos ernste Gesichter. Der Ort des Treffens war eine riesige Halle, ganz und gar aus schillerndem Opalstein gefertigt. Von draußen schimmerte gedämpftes Licht durch die Wände und ließ das ganze Gebäude in pastellfarbenen Tönen von Hellblau über Rosa bis hin zu einem zarten Grün erstrahlen.
Die Stimmung im Innern des Versammlungshauses war auf einem Tiefpunkt angelangt. Während des Tages waren aus allen Teilen der Stadt Stimmen laut geworden, die eine »sofortige Abreise der Fremden« verlangten. Damit waren die Bonkas und die in ihrer Begleitung befindlichen Menschen gemeint. Selbst Kraarks Anwesenheit wurde von etlichen Bewohnern Kalvars als böses Omen gedeutet.
Für die meisten Ratsältesten war diese schon fast feindselige Haltung ihrer Brüder mehr als peinlich. Ohne Bergalfs mutigen Einsatz hätte es womöglich hunderte von Toten in der Stadt gegeben. Doch anstatt ihm dankbar zu sein, wollte Kalvar den Bonka davonjagen. Einige Ratsmitglieder, wenn auch in der Minderzahl, vertraten jedoch die Ansicht, diese »unvergleichliche Katastrophe« wäre nicht geschehen, wenn die Fremden »uns in
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