Das Echo der Flüsterer
näherte, drehte sie sich plötzlich um.
»Jonas!«
»Ich habe dich vermisst, Darina. Warum bist du nicht bei den anderen und feierst?«
»Ich habe gerade den Kristallregen bewundert. Sieh selbst, dort.« Darina deutete zum Himmel.
Jonas spähte nach oben. Im hell erleuchteten Nachbarhof hatte niemand auf den Himmel geachtet, aber hier, in dem dunklen stillen Garten bot sich dem Betrachter ein atemberaubendes Schauspiel. In unregelmäßigen Abständen fielen glitzernde Schauer vom Himmel. Was Darina schlicht als Kristallregen bezeichnet hatte, sah aus, als würde jemand mit einem riesigen Besen Millionen blau funkelnder Schnipsel über eine unsichtbare Treppe fegen. Flimmernd und glitzernd segelten sie dem Horizont entgegen.
»Das ist wunderschön«, sagte Jonas, ganz hingerissen von dem erstaunlichen Himmelsphänomen.
»Es ist nichts gegen euren Sternenhimmel«, erwiderte Darina mit einem seltsamen Unterton in der Stimme.
Jonas riss sich von dem Schauspiel los und sah in Darinas ernstes Gesicht. »Der Kristallregen ist doch nicht der wirkliche Grund, weshalb du dich hierher zurückgezogen hast, oder?«
Die Wissende erwiderte seinen forschenden Blick. »Allmählich kannst du meine Gefühle ebenso sicher lesen wie ich die deinen. Du hast Recht, mein Bruder. Ich bin hierher gekommen, weil ich einen Augenblick allein sein wollte.«
»Ich wünschte, du würdest mich nicht immer Bruder nennen.«
Darina lächelte ihn an und legte ihre kleine Hand an seine Wange. »Aber das bist du doch. Du bist mein großer Bruder, mein Retter.«
Jonas seufzte und sah verlegen zu Boden. Darina hob sein Kinn, bis er ihr in die Augen blickte. »Ist da noch mehr, Jonas?«
»Du bist Lydia so ähnlich. Sie war auch wie eine Schwester für mich. Manchmal glaube ich, wenn sie Muddy Creek nicht verlassen hätte, dann wären wir irgendwann sogar ein richtiges Paar geworden.«
»Du meinst Mann und Frau?«
»Na ja… vielleicht.«
»Ich bin aber nicht Lydia, Jonas.«
»Das weiß ich, aber…« Seine Worte versickerten.
»Ich bin fest davon überzeugt, dass es ihr gut geht. So wie
du mein Bruder bist, ist sie für mich so etwas wie eine Zwillingsschwester. Nach allem, was du mir über den Himmelsstein erzählt hast, glaube ich, dass der Kristall in mir ein Abbild deiner Freundin geschaffen hat.« Darinas Gesicht wurde ernst. »Aber ich bin mehr als nur eine Kopie dieses Menschenkindes. Ich gehöre zum Kleinen Volk und du bist ein Mensch. Es kann nie mehr zwischen uns sein als Freundschaft.«
Jonas nickte traurig. »Das verstehe ich. Und ich möchte dir sagen, dass mir sehr viel an dieser Freundschaft liegt, Darina.« Unvermittelt stahl sich ein listiges Lächeln auf sein Gesicht. »Magst du eigentlich Numin?«
Wenn es nicht so dunkel gewesen wäre, hätte er in diesem Augenblick sehen können, wie Darina errötete. »Er ist manchmal etwas… überschwänglich.«
»Also gefällt er dir?«
»Ich kenne Numin ja gerade erst seit zwei Tagen.«
»Das habe ich befürchtet.«
»Wieso? Magst du ihn denn nicht?«
»Inzwischen geht es so.«
»Ich hatte bei unserer Ankunft in Kalvar den Eindruck, dass du eifersüchtig bist.«
»Ich war nur müde und ein wenig gereizt.«
»Nicht mehr, Jonas?«
»Na ja, vielleicht ein bisschen.«
»Du bist wirklich süß. Ich finde, es ist durchaus in Ordnung, wenn ein Bruder sich um seine kleine Schwester Sorgen macht.«
Jonas konnte nicht anders, er musste lachen. »Sag mir, wenn dich einer ärgert, Schwesterchen, dann gebe ich ihm eins auf die Nase.«
»Genauso wie Smitty es bei dir gemacht hat?«
»Das ist jetzt gemein.«
Darina lachte glockenhell. »Geschwister necken sich nun mal hin und wieder.« Dann wurde sie wieder ernst. »Aber das ist einer der Gründe, warum ich dich so schätze, Jonas. Du hast nie um die Anerkennung anderer gebuhlt, wenn du der Überzeugung warst, dass sie nicht auf der Seite der Wahrheit stehen.«
»Du kennst ja jetzt die Geschichte meiner Mutter und weißt, warum sie alle Mitläufer so verabscheut.«
Darina lächelte Jonas liebevoll an. »Obwohl sie dir so fern war, hat sie dich doch nie allein gelassen. Es ist gut, dass du in Bezug auf die Wahrheit nie einen Kompromiss eingegangen bist, Jonas.«
»Manchmal war ich mir nicht sicher, ob ich nur stur bin oder wirklich auf der Seite der Wahrheit stehe.«
»Hast du schon einmal etwas vom Piltdown-Menschen gehört?«
Jonas sah Darina verdutzt an. Aber er erinnerte sich. »Ja. Wie kommst du darauf?«
»Was sagt dir
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